Nach Keolis-Debakel S-Bahn-Betrieb wird mehr als eine Preisfrage
Düsseldorf · Der VRR zieht Konsequenzen aus Keolis-Debakel um S-Bahnen S1 und S4: Künftig muss eine Ausbildungsquote erfüllen, wer sich auf Ausschreibungen bewirbt.
Die Kündigung eines S-Bahn-Vertrages für die wichtigen Linien S1 und S4 hat jetzt auch ein politisches Nachspiel im Landtag gehabt: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und der Betreiber Keolis – in Deutschland als Eurobahn bekannt – sollten im Verkehrsausschuss am Mittwoch berichten, was da so schief gelaufen war. Die Landespolitiker wollen sichergehen, dass sich derartige Vorfälle nicht häufen und am Ende Züge auf wichtigen Pendlerstrecken nicht mehr rollen.
Der VRR hatte Mitte September den Vertrag mit Keolis fristlos gekündigt, weil das Unternehmen nur die Hälfte der nötigen Zugführer zusammenbekommen habe, um Mitte Dezember zum Fahrplanwechsel den Betrieb auf den S-Bahn-Linien zu stemmen. Die DB Regio – Regionalableger der Bahn und bisheriger Betreiber der beiden Strecken – sprang im Rahmen einer Notfallvergabe für zwei Jahre ein. „Wir sind absolut sicher, dass 100 Prozent der Leistung ab Fahrplanwechsel erbracht werden kann“, sagt VRR-Vorstand Ronald Lünser.
Der Eurobahn-Betreiber hatte angegeben, man habe für den Start des Betriebs Fahrer von DB Regio ausleihen wollen, eine entsprechende Vereinbarung habe das Unternehmen aber kurz vor der Kündigung gebrochen – was DB Regio bestreitet. Magali Euverte von Keolis bekräftigte im Ausschuss: „Wir haben die Verhandlungen nie abgebrochen!“ Der Verlust des Auftrags sei „ein großer Schlag“. Aber man arbeite mit dem VRR an einer außergerichtlichen Einigung.
Immerhin scheinen alle Beteiligten in der Branche angesichts des drängenden Zugführermangels einig zu sein, dass Zwist jetzt nichts taugt. Der Fall habe laut Lünser die Erkenntnis gebracht: „In einem Wettbewerb, der über den Preis entschieden wird, wird alles heruntergefahren, was kostet.“ Auch die Ausbildung von Personal. „Das Problem wird jetzt sichtbar“, so Lünser. „Wir müssen künftig feste Ausbildungsquoten vorschreiben.“ Diese sollten in den Ausschreibungen fester Bestandteil werden – für ganz NRW: „Da gibt es ein klares Commitment“, sagt der VRR-Vorstand.
Lothar Ebbers vom Fahrgastverband „Pro Bahn“ in NRW bezeichnet auf Anfrage die Entscheidung des VRR als „gut und mutig“. „Es war absehbar: Das gibt einen völligen Fehlstart“, sagt er mit Blick auf die Streckenübernahme durch die Eurobahn. Aber: „Auch die Bahn hat die Schwierigkeiten in ihrem bestehenden Netz auch“, sagt Ebbers und denkt dabei insbesondere an Ausfälle im Sauerland. „Der Fachkräftemangel ist ein Branchenthema.“ Und: Mit dem Fahrplanwechsel stünden im Regionalverkehr tiefgreifende Veränderungen an: Die S-Bahnen sollen nicht mehr alle 20 Minuten fahren, sondern in Stoßzeiten alle 15, in Randzeiten alle 30 Minuten. Die Züge im VRR sollen jährlich eine Million Kilometer zusätzlich fahren – wenn sie denn fahren.