Soziales Solingen: Unterkünfte für Geflüchtete sind voll
Solingen · Das Land stellt vier Millionen Euro bereit, um die Stadt Solingen zu entlasten.
Eine spürbare Entlastung ist aus Sicht der Stadt Solingen nicht in Sicht: 3000 Plätze für die Erstunterbringung von Geflüchteten will das Land NRW Anfang 2024 bereitstellen – zudem stellte die Landesregierung den Kommunen rund 808 Millionen Euro für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung in Aussicht. Von denen Solingen laut Rathausangaben mit voraussichtlich vier Millionen Euro rechnen kann. „Einen konkreten Bescheid gibt es allerdings nicht“, bedauert Ordnungsdezernent Jan Welzel (CDU). „Es sind immer nur Einmalhilfen, die strukturellen Finanzfragen werden so nicht gelöst. Insbesondere Vorhaltekosten und notwendige Integrationsaufwendungen werden so nicht hinreichend finanziert.“
Frühere Jugendherberge
wird ab November genutzt
Noch könnten die Geflüchteten weitgehend dezentral in Wohnungen untergebracht und auf Massenunterkünfte verzichtet werden. An Sammelunterkünften mit einzelnen Räumen wie im alten Finanzamt an der Goerdelerstraße – dort gibt es aktuell die größte Fluktuation – oder in der alten Jugendherberge in Gräfrath, wo ab November rund 50 Plätze entstehen sollen, führe aber auch weiterhin kein Weg vorbei. Von dort aus würden die Bewohner weiterverteilt. „Wir nehmen weitere Objekte in den Blick. Es wird deutlich schwieriger“, macht der Beigeordnete deutlich.
Der Großteil der in Solingen untergebrachten Geflüchteten, aktuell 1367 Personen, stammt aus der Ukraine. Die Zahl bleibe momentan relativ konstant. Zudem komme es wöchentlich zu etwa 30 Neuzuweisungen – überwiegend aus der Türkei, Syrien, dem Irak und Afghanistan. Zuletzt lag die Zahl bei 92 Personen. „Die Aufnahmequote liegt derzeit bei 94 Prozent, das heißt, wir müssten aus dem Stand weitere 130 Personen aufnehmen. Diese Quote schwankt sehr stark“, erklärt Welzel.
Zwar sei die Stadt aktuell noch in der Lage, diese Menschen unterzubringen, doch die Unterbringungskapazitäten sieht der Ordnungsdezernent begrenzt. „Wir müssen immer wieder nach neuen Objekten Ausschau halten. Im Moment gelingt dies noch, es wird aber nicht dauerhaft so weitergehen können, wenn der Aufnahmedruck auf dem derzeitigen Niveau bleibt.“
So seien die Einrichtungen Jasperstraße und Zietenstraße zurzeit nahezu belegt. Derweil sei der Großteil der ukrainischen Geflüchteten in Wohnungen untergebracht und würde direkt aus den sogenannten KdU-Sätzen (Kosten der Unterkunft) im SGB II finanziert.
Die Unterbringung der Betroffenen sieht Jan Welzel allerdings nur als den ersten Schritt. „Es geht weiter um konkrete Integration mit Sprachkursen und Eingliederung in den Arbeitsmarkt, um Kindergartenplätze und Schulkapazitäten etc. Das wird in der Diskussion auf Bundes- und Landesebene ausgeblendet.“ Man verlasse sich dort zu sehr auf die Initiative der Kommunen. „Es ist aber eine Herausforderung für eine gesamte kommunale Infrastruktur. Dafür brauchen wir dann auch eine Steuerung der Menschen und eben auch die notwendige kontinuierliche finanzielle Unterstützung.“ Diese Einschätzung teilt auch Georg Schubert, der sich mit der Initiative „Gräfrath hilft“ gemeinsam mit seinen Mitstreitern in der Flüchtlingshilfe engagiert. „Es fehlen definitiv Gelder von Land und Bund“, ist der Solinger überzeugt. „Die Situation ist sehr auf Kante genäht.“
Zudem begegneten ihm und anderen Ehrenamtlichen immer wieder bürokratische Hürden – beispielsweise wenn Geflüchtete ursprünglich einer anderen Stadt zugewiesen wurden und jetzt nach Solingen ziehen möchten. So betreue er aktuell einen schwer an Rheuma erkrankten Syrer, der seinen Wohnsitz bislang nicht offiziell vom brandenburgischen Lückenwalde in die Klingenstadt verlegen konnte, wo seine Familie lebt. „Dafür muss die aufnehmende Kommune der Wohnsitzauflage zustimmen und die abgebende Kommune muss sie aufgeben“, erklärt Schubert. Dieser Schritt sei aufseiten der Stadt Lückenwalde bislang nicht erfolgt, so dass der Betroffene in Solingen keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat und auch über keine Krankenversicherung verfügt. Georg Schubert ist überzeugt: „Der Fehler ist in Lückenwalde gemacht worden.“ Ein Einzelfall sei das Schicksal des Syrers aber nicht. „Viele Fälle gehen an die Grenzen dessen, was Ehrenamtler bearbeiten können.“