Kirchen und Religion Die Spaßreligion vom Spaghettimonster
DÜSSELDORF · Was humorvoll und zuweilen albern daherkommt, hat einen ernsten Hintergrund: Die Kritik der „Pastafari“ an der Nähe von Staat und Kirche.
Religionsausübung – das ist meist eine ernste Sache. Aber was, wenn die Religion als Parodie daherkommt? Und damit anderen Religionsgemeinschaften, ob nun christlichen, muslimischen oder anderen den Spiegel vorhält? Und dann auch noch hinter dieser Parodie ein ernster politischer Ansatz steht – nämlich staatlich gewährte Privilegien in Frage zu stellen. Zum Beispiel die staatliche Hilfe beim Erheben der Kirchensteuer, die Finanzierung von theologischen Fakultäten, von Bischofsgehältern, Religionsunterricht, arbeitsrechtliche Privilegien, Mitfinanzierung von Kirchentagen. Privilegien, die ja auch die Konfessionsfreien (mehr als 40 Prozent der Menschen in Deutschland) mittragen müssen.
Das Streitigmachen beziehungsweise das Einfordern ebensolcher Hilfen durch eine „neue Religion“ führt zu diversen juristischen Auseinandersetzungen. Das zeigt ein Film, der jetzt im Düsseldorfer Stadtmuseum vorgeführt wurde. Es geht um den Streifen des US-Filmemachers Mike Arthur: „I, Pastafari – A Flying Spaghetti Monster Story“ – die Geschichte vom Fliegenden Spaghettimonster.
Einen der Protagonisten hatte der „Düsseldorfer Aufklärungsdienst“, eine Regionalgruppe der humanistischen „Giordano Bruno Stiftung“ zu der Vorführung eingeladen. Zur Diskussion über den Ernst, der hinter dem absurd scheinenden, oft ins Alberne abdriftenden Humor der Spaghetti-Jünger liegt: Der Wiener Niko Alm hatte 2011 weit über Österreichs Grenzen hinaus mit einer spektakulären Aktion die zuvor in den USA entstandene Bewegung des Fliegenden Spaghettimonsters bekannter gemacht.
Der frühere Abgeordnete im österreichischen Nationalrat, Autor und Aktivist für eine Trennung von Staat und Kirche ließ sich für sein Führerscheinfoto mit einem Nudelsieb auf dem Kopf ablichten. Dabei sind Kopfbedeckungen nur aus medizinischen oder religiösen Gründen auf dem Führerscheinfoto erlaubt. Das Porträt schmückt noch heute seine Fahrlizenz. In dem Film werden Beispiele gezeigt, wie die inzwischen weltweit aktiven Pastafari (sie tragen die Nudel gewissermaßen in ihrem Namen) bis vor die obersten Gerichtsinstanzen ihrer Länder ziehen. Und versuchen, gleiche Rechte einzuklagen. Die Rechte, die der jeweilige Staat auch anderen Religionsgemeinschaften zugesteht. Unter anderem in den Niederlanden, in Österreich und auch in Deutschland. Hierzulande stritt man sich im brandenburgischen Templin jahrelang darum: Dürfen auf den Schildern, die am Ortseingang auf die Gottesdienste von Katholiken, Protestanten und der Freikirche hinweisen, auch die Pastafari zu ihrer freitäglichen Nudelmesse einladen?
Bislang waren all die juristischen Schlachten freilich von eher mäßigem Erfolg gekrönt. In Deutschland hat das Brandenburgische Oberlandesgericht die Aktivitäten als bloße Religionsparodie oder Religionssatire eingestuft. Es handle sich nicht um eine Religionsgemeinschaft. Das dagegen angerufene Bundesverfassungsgericht machte besonders kurzen Prozess. Eine weltanschauliche Betätigung sei nicht plausibel. Und das bedürfe nicht einmal einer schriftlichen Begründung, so das Basta der höchsten deutschen Richter.
Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters geht zurück auf eine erbittert geführte Auseinandersetzung in den USA: Soll im Biologieunterricht die Lehre vom Intelligent Design (Erklärungsversuche mit wissenschaftlichem Anspruch, dass die Welt von einem intelligenten Planer geschaffen wurde) gleichberechtigt neben der Evolutionstheorie gelehrt werden? Dann solle, so forderte 2006 der US-Amerikaner Bobby Henderson, bitteschön im Biologieunterricht auch die Lehre unterrichtet werden, dass die Welt von einem Fliegenden Spaghettimonster geschaffen wurde. Das sei schließlich genauso wenig wissenschaftlich zu widerlegen wie die Behauptung der Kreationisten, dass ein intelligenter Designer die Geschicke lenke. Die als Parodie zu verstehende Forderung sollte zeigen, dass religiöse Inhalte im naturwissenschaftlichen Unterricht nichts zu suchen hätten.
Die Idee verbreitete sich seither weltweit in vielen Ländern. Wobei die Pastafari gerade in Prozessen vor weltlichen Gerichten um die Anerkennung ihrer Religion den Eindruck vermeiden müssen, dass sie das Ganze nur als Spaß sehen. Aber ist das nicht generell ein Problem – einerseits sollen die Gerichte überzeugt werden, dass man es ernst meint mit der Religion, um die gleichen Privilegien zu bekommen wie etablierte Religionsgemeinschaften; andererseits tritt man aber besonders schräg auf?
Der Wiener Aktivist Niko Alm sagt dazu: „Ja, am Anfang ging es nur darum, als parodistische, polemische Gegenbewegung die vorhandenen Privilegien aufzuzeigen. Wir bestreiten gar nicht, dass wir parodistische Merkmale in uns tragen. Und vor allem Humor haben. Aber das steht doch nicht im Widerspruch dazu, Religion zu sein. Religion kann humorvoll sein. Die anderen können das jedenfalls nicht so gut wie wir.“
Alm sagt: „Die Basis für die Lehren der Pastafari sind per definitionem unbeweisbare Behauptungen. Aber solche sind im Kern doch in jeder Religion zu finden. Das macht gerade den Glauben aus.“ Da unterscheide sich die „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ nicht von anderen Religionen.
Die Pastafari haben, um ihre Gleichwertigkeit mit anderen Religionen zu untermauern, übrigens auch ihre eigenen Glaubenssätze respektive Gebote. Die sind freilich anders, freundlicher formuliert als man es sonst kennt. Sie fangen nicht etwa mit einem „Du sollst… oder Du sollst nicht...“ an, sondern mit einem „Mir wär‘s wirklich lieber…“ Das sechste von insgesamt acht Geboten zum Beispiel geht so: „Mir wär’s wirklich lieber, du würdest nicht Multimillionendollar-Kirchen, Moscheen, Tempel, Schreine für Meine Nudlige Güte erbauen. Das Geld kann man nun wirklich sinnvoller anlegen. Sucht euch etwas aus: Armut zu beenden, Krankheiten zu heilen…“
Aber ist da nicht noch ein anderer Widerspruch: Einerseits wird aufgezeigt und kritisiert, welche Privilegien Religionsgemeinschaften vom Staat gewährt bekommen und fordert deren Abschaffung. Gleichzeitig aber wollen die Spaghetti-Jünger für sich selbst die gleichen Privilegien durchsetzen. Niko Alm ist sich dessen bewusst, sagt dazu: „Wenn und solange es Privilegien gibt, dann hätten wir die auch gern, aber generell ist es unser Ziel, dass keine Religion irgendwelche staatlichen Privilegien hat. Es geht uns darum, auch mit Humor vorzuführen, dass es diese Sonderbehandlung gibt.“
Alm bohrt das dicke Brett aber nicht nur mit Aktivismus und Humor, sondern verbreitet seine Gedanken auch in seinem Buch „Ohne Bekenntnis – wie mit Religion Politik gemacht wird.“ Ein Plädoyer nicht gegen die Religion als solche, die ja Privatsache sei. Gerade deshalb aber auch eine Trennung von Kirche und Staat bedinge.