Aus dem Hörsaal ins Plenum
Politikwissenschaftler Rainer Bovermann will für die SPD erneut das Direktmandat erringen.
Sprockhövel. An den Landtagswahlkampf vor fünf Jahren erinnert sich Rainer Bovermann noch mit Unbehagen. "Stimmungsmäßig war das für die SPD ganz schlecht, aufgrund der bundespolitisch schlechten Vorlage. Für ihn persönlich sei es schwer gewesen, noch aus dem Beruf heraus Wahlkampf zu führen.
Das hat sich für ihn geändert. Nachdem er vor fünf Jahren das Direktmandat, das lange SPD-Urgestein Uli Schmidt hielt, direkt erobert hat, kann er diesmal auf ein eigenes Landtagsbüro zurückgreifen. "Auch auf der Straße ist die Stimmung anders." In Gesprächen dort habe er eine "neue Lust auf die SPD" festgestellt.
Lust und Politik, dass das nicht immer zusammenpasst, hat der Politikwissenschaftler bereits erfahren, seit er damals die Seiten wechselte, vom Dozent im Uni-Hörsaal zum Praktiker im Landtag. "Da gab es so manches Aha-Erlebnis, dass in der Realität vieles anderes abläuft" sagt Bovermann. "Ich hätte nicht geglaubt, dass es bis in die Ausschüsse hinein eine so starke parteipolitische Polarisierung gibt." Deshalb sei er auch dankbar, in der Enquete-Kommission "Chancen für Kinder" dabeisein zu dürfen, wo hinter verschlossenen Türen und gemeinsam mit Wissenschaftlern debattiert werde.
Eine einheitliche Meinung über das künftige Schulsystem habe sich dort zwar nicht gezeigt, wohl aber die mehrheitliche wissenschaftliche Meinung, dass ein gemeinsames längeres Lernen und eine größere Durchlässigkeit des Schulsystems vonnöten wäre.
"Politiker lassen sich aber nur bis zu einem gewissen Grad von der Wissenschaft beraten." Auch das ist eine seiner Erkenntnisse aus fünf Jahren im Parlament.
Aus Bovermanns Sicht gebe es zwei Varianten der Gemeinschaftsschule, entweder gemeinsames Lernen bis zur 6. Klasse, oder gar bis Klasse 10. Eine Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre in diesem Rahmen sieht er nicht als realistisch an. "Das wäre für die Kommunen zu kostspielig." Ein Umbau des Bildungssystems müsse ohnehin behutsamer vor sich gehen als vor 30 Jahren, als die SPD die Gesamtschule ins Leben rief und vergeblich versuchte, damit Hauptschulen zu ersetzen.
"Die SPD wollte damals mit dem Kopf durch die Wand", räumt er ein. Jetzt müsse man Ängsten, die es bei Eltern geben könne, entgegenwirken. Ein Umbauprozess werde sich über zehn Jahre erstrecken. Allein die zurückgehenden Schülerzahlen böten die Möglichkeit für Umstrukturierungen.
Dass die SPD als Regierungspartei in NRW bei der Umsetzung ihrer bildungspolitischen Ziele - zu denen die Abschaffung der Studiengebühren und der Kindergartenbeiträge gehören - auf Geld vom Bund angewiesen ist, sagt Bovermann klar. "Das geht alles nur über höhere Einnahmen", verweist er auf die SPD-Vorschäge zur Erhebung von Vermögens- und Börsensteuer.
Ganz konnte sich Bovermann, der bei der Landtagswahl nicht über die Liste abgesichert ist, übrigens doch nicht von der Lehre trennen. Er leitet weiter freitags ein Politik-Seminar an der Ruhr-Uni. "Rein ehrenamtlich", wie er betont, von der Uni sei er beurlaubt. Ihm fällt es deshalb nicht schwer, sich für die Transparenz der Nebeneinkünfte von Abgeordneten auszusprechen. Auf seine Herkunft aus einer Dortmunder Arbeiterfamilie ist Bovermann stolz. Dass er es als erster zum Studium geschafft habe, sei für ihn Verpflichtung, dem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsgrad entgegenzutreten. Er gehört zu den Mitgründern des Bildungsnetzwerks Ennepe-Ruhr, in dem Schulen und Arbeitgeber zusammengebracht werden sollen.
Sein ganz privates Netzwerk hat Bovermann in seiner Familie, wobei seine Ehefrau als Ratsfrau in Hattingen viel Verständnis für die Belange eines Politikers habe.