„Es ist schlimm, wenn man alles hatte und wieder verliert“
Besonders in den Weihnachtstagen lässt Edeltraut Pfitzner Revue passieren — das vergangene Jahr, ihr ganzes Leben.
Sprockhövel. Edeltraut Pfitzner ist der Liebe wegen nach Sprockhövel gezogen. Mit 49 Jahren glaubte sie endlich — nach vielen Enttäuschungen — den richtigen Mann gefunden zu haben. Doch wieder hatte sie Pech. Und nach der Trennung verlor sie nicht nur den Glauben an die Liebe, sondern auch all ihr Hab und Gut. Die gebürtige Frankfurterin stand auf einmal ohne Wohnung da. Im Frauenhaus fand sie Zuflucht und Halt in dieser schwierigen Zeit.
„Gerade in den Weihnachtstagen lässt man Revue passieren, das vergangene Jahr, das ganze Leben“, sagt sie. Fünf Kinder hat Pfitzner zur Welt gebracht. Sie leben auf der ganzen Welt verstreut. Eine Tochter arbeitet als Erzieherin in London, eine andere lebt in Pakistan und ist Ärztin. Die jüngste Tochter lebt in Frankfurt. Doch das Verhältnis ist angespannt. „Dass ich meine Kinder nicht mehr sehe, ist schwer für mich“, sagt Pfitzner. Vor ein paar Wochen hatte sie ihre Jüngste seit langer Zeit wieder gesehen. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses ermutigten sie zu einem Treffen. „Ich wusste, dass meine Tochter mich vom Bahnhof in Frankfurt abholen würde — und hatte Angst davor, sie wiederzusehen.“
Zu viel war passiert: Mit 15 Jahren wird Edeltraut Pfitzner zum ersten Mal schwanger — ungewollt. Das war 1975. Eine Zeit, in der es noch Sitte war, in einer solchen Situation zu heiraten. Eine Ausbildung machte Pfitzner nicht. „Ich war total naiv“, sagt sie heute. Es würde für immer sein, dachte sie, der Ehemann würde die kleine Familie ernähren. Die bittere Erkenntnis: „Er wollte nur eine Aufenthaltsgenehmigung“, ist Pfitzner heute sicher.
Um sich und ihre Kinder zu ernähren, arbeitete Pfitzner in einer Wäscherei, in der Gastronomie und als Reinigungskraft. Dann lernte sie ihren zweiten Mann kennen. Doch die Ehe endete ebenfalls mit Scheidung. Insgesamt war sie fünfmal verheiratet. Und fing mit ihrem Leben jedesmal wieder von vorne an, brachte sich und die Kinder über die Runden, nahm jede Arbeit an.
Beim Verein „Frauen für Frauen“ in Sprockhövel kennen die Mitarbeiterinnen solche Lebensläufe. Viele Frauen mittleren Alters sind damit groß geworden, dass der Mann die Familie ernährt. Wenn die Lebensplanung dann anders verläuft, verlieren sie alles. Wie Edeltraut Pfitzner: „Es ist schlimm, wenn man alles hatte, und dann immer wieder verliert.“ Aber heute will sie in die Zukunft blicken, positiv. „Ich will darüber lachen können. Über das, was ich mit Männern erlebt habe, könnte ich ein Buch schreiben.“
Die Frankfurterin hat seit ein paar Monaten in Sprockhövel eine eigene kleine Wohnung. Und sie lebt von Hartz IV. Ein geselliger Typ sei sie. Die Isolation durch Hartz IV sei schlimm, „es ist schwer, in meiner Situation Leute kennenzulernen“, sagt sie. Früher habe sie sich geschämt, zur Tafel zu gehen. Mittlerweile geht Edeltraut Pfitzner gerne dorthin, trifft Bekannte. Wie an diesem Tag, bei der Weihnachtsfeier für Bedürftige der Awo. Dort findet sie Verständnis, bekommt ein gutes Essen und sogar eine Tüte mit Geschenken. „Dass ich mir zu Weihnachten nichts kaufen kann, ist traurig. Aber man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.“ Der letzte Versuch, mit einem Mann glücklich zu werden, war im Sommer dieses Jahres. Aus Frankfurt war sie zu ihm nach Sprockhövel gezogen. Er aber hat sie verlassen und ihr Hab und Gut behalten. „Ich muss aufstehen und weitermachen“, sagt sie. Weihnachten wird sie alleine verbringen. Ein Lichtblick: Edeltraut Pfitzner will zurück nach Frankfurt, zur Tochter und wartet nur noch auf grünes Licht der Arge — das wäre ihr schönstes Weihnachtsgeschenk.