Hartz IV: Frauen bekommen kostenlos die Anti-Baby-Pille
Initiative: „Pro Familia“ und Kreisverwaltung werben für eine Kostenerstattung, die vielen unbekannt ist.
Sprockhövel. Es handelt sich um ein bundesweit geltendes Gesetz, von dessen Existenz nicht viele Frauen wissen: Wer Hartz IV bezieht, bekommt die Kosten für teure Verhütungsmethoden wie Anti-Baby-Pille, Spirale oder Sterilisation zur Gänze vom Staat erstattet.
Auch in Sprockhövel und dem gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis wissen viele Frauen nicht von dieser Möglichkeit. Diese Unkenntnis kann Folgen haben: Nicht wenige Hartz-IV-Empfängerinnen verzichten auf sichere Verhütung, um ihr ohnehin knappes Geldsäckel nicht noch mehr zu belasten - und handeln sich dann eine ungewollte Schwangerschaft ein, die dazu führt, eine Abtreibung in Erwägung zu ziehen.
"Die Frau steht dann vor einem moralischen Dilemma: soll sie oder soll sie nicht?", erklärt Karin Thöne, Leiterin der "Pro Familia"-Beratungsstelle in Gevelsberg. Eine Situation, die sich vermeiden ließe, wenn mehr Hartz-IV-Empfängerinnen davon wüssten, dass gar keine Notwendigkeit besteht, aus Spargründen eine risikolose Verhütung bleiben zu lassen.
Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat deshalb gemeinsam mit den örtlichen "Pro Familia"-Stellen eine Initiative gestartet, um Frauen auf die Kostenerstattung aufmerksam zu machen: Verteilt wird ein Flyer, der den Titel trägt "Vorher an Nachher denken". Die Broschüre liegt in den Jobagenturen, bei Pro Familia und in der Kreisverwaltung aus.
Darin wird genau erklärt, welche Schritte sie einleiten müssen, wenn sie eine Kostenerstattung beantragen wollen: der Gang zum Sozialamt, das Vorzeigen diverser Unterlagen wie einem Bescheid der Jobagentur, einem Rezept des Arztes und den Kontoauszügen der letzten drei Monate. "Wir hoffen, dass nun mehr Frauen von diesem Angebot erfahren", sagt Katrin Johanna Kügler, Abteilungsleiterin für Gesundheit und Sozialplanung im Kreis.
Die Notwendigkeit der Initiative spiegelt sich auch in Zahlen wider. Seit Einführung des Gesetzes Anfang 2007 musste der Kreis gerade einmal 3000 Euro für Verhütungsmittel an Hartz-IV-Empfängerinnen ausgeben - Indiz dafür, wie selten das Angebot genutzt wird.
"Pro Familia" weist darauf hin, dass die Frauen bei der Anti-Baby-Pille die Kosten vorstrecken müssen - sie bekommen die Summe aber umgehend nach dem Kauf beim Sozialamt erstattet. Wenn es um höhere Kosten geht, die etwa bei Spiralen - oder im Extremfall bei einer Sterilisation entfallen, übernimmt das Sozialamt selbst die Kostenvorstreckung.