Turner-Preisträger mit neuen Werken in Düsseldorf Die Weisheit der Steine
Düsseldorf · Der 78-jährige Turner-Preisträger Richard Long zeigt seine Kunst in der Galerie Konrad Fischer.
Seit 55 Jahren führt Richard Long die Natur als etwas Absolutes vor. Er gilt als einer der ersten Künstler der Gegenwart, der in den späten 1960ern die Weisheit der Erde betonte. Er zeigt Steine, aber dort, wo sie nicht hingehören, in Museen und Galerien. Er holt sie sich aus der Sahara oder von der Spitze der Zugspitze, aber lässt sie sich auch aus der Umgebung von Wuppertal kommen. Er zerschlägt sie nicht. Sie sind alle so, wie er sie gefunden hat. In der Konrad-Fischer-Galerie erhält er seine 22. Einzelausstellung.
1967 schrieb der werdende Galerist Konrad Fischer an den jungen Studenten aus England, dass er ihn gern zeigen möchte. Richard zierte sich. Als er im Jahr darauf in der schmalen Galerie an der Neubrückstraße seine Kunst präsentierte, hatte er den Boden mit Linien aus Weidenstöckchen gelegt. Niemand wollte so etwas kaufen. Wenige Jahre später schüttete er Piniennadeln aus und lief so lange darauf herum, bis es einen mäandernden Weg ergab. Die Kunstgänger konnten die Arbeit nur von außen sehen.
Der 78-Jährige – der den Turner Preis und den Praemium Imperiale erhielt, mehrmals auch auf der Documenta und der Biennale von Venedig ausstellte– schleppt die Steine nicht mehr selbst herbei. Er lässt sie sich von der befreundeten Galerie schicken. Das ist eine langwierige Prozedur. Die Galerie schickte Fotos, schließlich Mustersteine wie Basalt, Granit Kalkstein und Sandstein. Die gewichtige Ware ging an die Heimatadresse des Künstlers in Bristol. Was er nicht mochte, war Muschelkalk mit vielen geologischen Einschüssen. Schließlich wählte er Ibbenbürener Sandstein aus, dessen Spektrum von beige über bräunlich bis grau reicht. Das Endergebnis ist ein acht Meter langes und 1,60 Meter breites Band unter dem Titel „Von Stein zu Stein“.
Der Ibbenbürener Sandstein entstand vor etwa 300 Millionen Jahren, als bei den Bewegungen der Erdkruste die Schichten gefaltet wurden, sich verdichteten und durch Gebirgsbildung des Teutoburger Waldes an die Erdoberfläche geschoben wurden. Die Auswahl wirkt sehr farbig, fast schon bunt, enthält zuweilen etwas Milchiges.
Einfacher als Steinbrocken aufzuheben, ist das Wandern durch die Welt. Richard Long ist er auf allen Kontinenten gewandert. Diese „Kunst in Bewegung“ hat aber auch ihre Tücken. So fiel er auf einer neuntägigen Wanderung durch das Hochland von Schottland in einen kalten Fluss. Geblieben ist die Erinnerung an den Schock, aber auch Treibholz und Flussschlamm. Was von dem Fall ins Wasser 2008 übrig geblieben ist, hängt nun in der Galerie: ein vom Wasser glatt gewaschenes Brett, auf dass er mit seinen Fingern Schlamm und Farbe auftrug.
Zuweilen bleibt nichts von seinen Aktionen übrig als ein Foto oder ein Text. So endete 2007 eine sechstägige Wanderung über die Berge von Schottland mit einem Großfoto und einem Text, in dem er schildert, wie die Wanderung kurz vor dem Sturm mit einem gebrochenen Bein endete.
Um nicht zu ruhen, kniete er jetzt tagelang in der Galerie Konrad Fischer auf dem Boden und trug mit seinen Händen Farbe auf. „Red Hand Road“ nennt er den 13 Meter langen und zwei Meter breiten Farbstreifen, der sich durch einen ganzen Raum zieht. Sobald die Ausstellung beendet ist, wird nichts als das Foto davon übrig bleiben.
Info Die Ausstellung in der Konrad-Fischer-Galerie, Platanenstraße 7, läuft bis 11. Mai.