Gottesdienst in Garath ging unter die Haut Übergabe der St. Norbert-Kirche an die äthiopische Gemeinde

Düsseldorf · Die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde hat das Gotteshaus in Garath bereits seit Längerem genutzt. Jetzt hat sie es im Rahmen einer gemeinsamen Messe offiziell übernommen.

Einen bewegenden Gottesdienst erlebten die Gläubigen bei der Übergabe der Kirche St. Norbert.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die St. Norbert-Kirche in Garath ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Beim Bau vor sechzig Jahren nahmen sich die Architekten das Ziel, die Moderne mit jahrhundertealten christlichen Traditionen zu vereinen. „Man wollte keine langgezogene Kirche, bei der man in der Ferne den Pfarrer gerade noch erahnen kann“, erzählte Pfarrer Martin Ruster bei seiner letzten Predigt. Das Ergebnis: Eine helle Kirche aus Beton und Backsteinen mit fünf Bankreihen, die halbkreisförmig um den schlichten Altar angeordnet sind.

Eben darauf ist die äthiopische Gemeinde in Düsseldorf aufmerksam geworden, denn in Äthiopien sind alle Kirchen rund gebaut. Seit inzwischen zehn Jahren feiern die Gläubigen äthiopisch-orthodoxe Gottesdienste in der Garather Kirche, in der Pfarrer Beza Mengistu 460 Kinder getauft hat. Er habe vom äthiopischen Papst den Auftrag bekommen, für die äthiopischen Christen in Nordwestfalen eine Gemeinde aufzubauen, berichtete er.

Wie es zur Übergabe gekommen ist, erklärte Ruster: „Die St. Norbert-Kirche ist eine von drei Kirchen in Garath. Leider wird die Gemeinschaft der Christen immer kleiner und damit auch die finanziellen Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Ich wollte nicht eines Tages einen Brief bekommen, dass diese Kirche nicht weiter betrieben werden kann, deshalb haben wir uns dazu entschieden, sie der äthiopischen Gemeinde zur Nutzung und Verantwortung zu übergeben. Sie können eine Form des lebendigen Glaubens bieten, wie wir es nicht mehr lange hätten tun können.“

Gemeinsam leiteten die beiden Pfarrer der römisch-katholischen und der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde den Gottesdienst, in dem sie zahlreiche, teils persönliche Einblicke in ihren Glauben und die Geschichte ihrer Gemeinden gaben. So erfuhren die Besucher und Besucherinnen des Gottesdienstes zum Beispiel, dass es das Christentum in Äthiopien schon länger gibt als in Deutschland. Durch Einflüsse aus Judentum und Islam hat die äthiopisch-orthodoxe Kirche eine Reihe einzigartiger Traditionen entwickelt, wie zum Beispiel das Ausziehen der Schuhe aus Respekt vor dem „heiligen Raum“ der Kirche. Da das auf den Steinfliesen – vor allem im Winter – kalt werden kann, werde demnächst ein Teppich in der Kirche verlegt.

„Wir feiern unsere Gottesdienste an jedem Tag der Woche“, sagte Pfarrer Mengistu. Die Gottesdienste dauern mehrere Stunden. Weil es dadurch zu zeitlichem Stress kommen kann, ist es in der äthiopischen Kirche üblich, zu kommen, wenn man gerade Zeit hat, und zu gehen, wenn man in die Schule, auf die Arbeit oder zum Essen muss.

Den Beginn des neuen Kapitels der St. Norbert-Kirche feierten die beiden Gemeinden mit einem Auftritt des Kinderchors der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde, der von einer Trommelspielerin begleitet wurde. Wie die meisten Mitglieder der äthiopischen Gemeinde trugen die Kinder helle Gewänder und kronenartige Kopfbedeckungen. Die Mädchen bedeckten ihre Haare zusätzlich mit leichten Tüchern. Auch die Farben der äthiopischen Flagge und aufwendige Stickereien ließen sich auf zahlreichen Kleidern wiedererkennen.

Als Mengistu um kurz nach halb eins den offiziellen Vertrag zur Übergabe der Kirche in Händen hielt, war mehr als ein Gemeindemitglied zu Tränen gerührt. „Noch vor ein paar Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass ich einmal eine äthiopische Gemeinde in Deutschland aufbauen würde“, sagte Mengistu, das neunte von zehn Kindern einer christlichen Familie. Seine weiteren Worte förderten in zahlreichen Bankreihen Taschentücher zutage: „Niemand verlässt sein Land ohne Grund. Die einen verlassen es, weil sie ihre Meinung nicht mehr sagen dürfen, und die anderen, weil sie Angst haben, ihren Familien nicht genug zum Überleben bieten zu können. Viele junge Männer und Frauen, die heute hier sind, haben Furchtbares gesehen, aber sie können den Schmerz vergessen, wenn sie in dieser Kirche sind. Dafür wollen wir euch danken“, wandte er sich an den gerührten Pfarrer Martin Ruster. „Und wir wollen euch dafür danken, dass ihr uns eine Heimat und eine Kirche geboten habt.“

(lkr ujr)