Unwetterschäden Schuldzuweisungen helfen keinem weiter
Meinung · Hätten die enormen Unwetterschäden verhindert werden können? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Tagen die Experten.
Eines in der Schlaumeierrepublik Deutschland vorneweg: Es ist irgendwo zwischen mutig und unfair, die in der vorigen Woche nicht eingeleiteten Katastrophenschutz-Maßnahmen der Behörden durch die Brille der Ereignisse zu bewerten, wie wir sie heute kennen. Ja, Deutschland hat Hochwasser erlebt, zur Genüge. Aber mehr als 160 Tote und völlig verwüstete Landstriche in mehreren Bundesländern, das haben in dieser Dimension nur wenige so kommen sehen. Manchmal braucht es erst die Anschauung dessen, was passieren kann – so brutal das ist. Etwas anderes kommt hinzu: Meteorologen sagen heute, dass sie bereits Anfang vergangener Woche vor enormen Regengüssen im Westen gewarnt hätten. Das stimmt. Meteorologen sagen aber auch, dass sie derartige Regengüsse nicht punktgenau vorhersagen könnten. Man stelle sich also vor, Behörden hätten die jetzt überfluteten Gebiete evakuieren lassen – und dann wären die Wassermassen jeweils 50 Kilometer weiter nieder gegangen. Das alles sollten jene beachten, die jetzt nach Schuldigen suchen.
Dessen ungeachtet hat die Katastrophe natürlich Schwachstellen offenbart. Und diese Schwachstellen müssen schnell beseitigt werden. Nein, wir brauchen keine Zentralisierung des Katastrophenschutzes auf der Bundesebene. Darüber muss in der Nähe, in den Landeshauptstädten, entschieden werden. Allerdings gehört das Amt für Koordinationszwecke selbstredend gestärkt, finanziell und personell. Nötig ist ferner eine bessere Information der Bevölkerung. Warn-Apps, die nur ein Teil der Menschen nutzt, reichen nicht. Sirenen, deren Zahl seit Ende des Kalten Krieges um über 70 Prozent reduziert wurden, müssen erst wieder installiert werden. Das jetzt vielfach geforderte Warnsystem Cell Broadcast, mit dessen Hilfe jeder Anwohner in einem gefährdeten Areal automatisch eine SMS bekommt, ist mindestens eine sinnvolle Ergänzung. Nur: Zu einem guten Warnsystem gehört die Bereitschaft der Bevölkerung, sich daran zu orientieren – und Fehlalarme der Zuständigen im Zweifel zu akzeptieren. Es geht um kollektive Lernprozesse.