Missbrauchsprozess Urteil im Lügde-Prozess: Kinderschützer hoffen auf „klares Signal“

Detmold · Zehn Wochen nach Prozessbeginn will das Landgericht Detmold im Missbrauchsprozess von Lügde sein Urteil verkünden. Im Vorfeld hat der Deutsche Kinderschutzbund den Blick auf die Opfer gerichtet.

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Vom anstehenden Urteil im Lügde-Missbrauchsprozess erhofft sich der Deutsche Kinderschutzbund ein klares Signal gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder. „Gerade für die Opfer ist es wichtig, dass sie sich zukünftig sicher fühlen können, und auch andere Kinder brauchen Schutz“, sagte NRW-Landesgeschäftsführerin Krista Körbes.

Nach der juristischen Aufarbeitung der Gewalttaten müssen nach Auffassung der Kinderschutzorganisation zudem Konsequenzen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene folgen. In dem Prozess um den jahrelangen sexuellen Missbrauch von Kindern auf einem Campingplatz im ostwestfälischen Lügde will das Landgericht Detmold am Donnerstag (09.00 Uhr) sein Urteil verkünden.

Angeklagt sind zwei 56 und 34 Jahre alte deutsche Männer. Sie sollen jahrelang in mehreren hundert Fällen insgesamt 34 Kinder schwer sexuell missbraucht haben. Der Ältere soll dabei laut Anklage in mehr als 200 Fällen in die Körper von Kindern eingedrungen sein, der jüngere in fast 50 Fällen. Einige Opfer sollen zur Tatzeit noch im Kindergartenalter gewesen sein. Die meisten Taten sollen die Männer in der heruntergekommenen Unterkunft von Andreas V. auf dem Campingplatz an der Grenze zu Niedersachsen begangen haben.

Die Dimensionen des Falles haben auch Lüdges Bürgermeister fassungslos gemacht. „Zu erfahren, was mit den Kindern passiert ist, hat mir weh getan und tut es bis heute. Das streifen sie nicht einfach ab, wenn sie abends nach Hause kommen“, sagte Heinz Reker der Deutschen Presse-Agentur. Es schmerze ihn auch, dass all das ausgerechnet in seiner Stadt passiert sei. „Es ist der Gesellschaft bewusst geworden, dass Missbrauch präsenter ist als gedacht. Wenn so etwas bei uns passiert, dann ist es überall möglich“, sagte Reker. „Unsere Stadt kann man dafür nicht an den Pranger stellen“, sagte er. Er hofft, dass ein gerechtes Urteil Lüdge wieder aus den Schlagzeilen kommen lasse.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 56-Jährigen Andreas V. 14 Jahre, für den 34-jährigen Mario S. zwölfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe gefordert sowie für beide die anschließende Sicherungsverwahrung. Der Verteidiger von Andreas V. hatte auf zwölf Jahre plädiert, der Verteidiger von Mario S. ein „möglichst großes vertretbares Entgegenkommen“ für seinen Mandanten erbeten. Auch er rechnete mit einem Urteil „im zweistelligen Bereich“. Beide hatten am letzten Verhandlungstag auf die frühen Geständnisse ihrer Mandanten verwiesen.

Der Prozess hatte vor zehn Wochen Ende Juni begonnen. Aus Opferschutzgründen fand er in weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am Rande des Prozesses hatten Nebenklägervertreter von schweren Traumata ihrer Mandanten berichtet.

In dem Fall stehen auch Polizei und Jugendämter in der Kritik, weil sie Hinweisen auf Andreas V. zunächst nicht nachgegangen sein sollen. Auch bei den Ermittlungen gab es Pannen, unter anderem verschwanden Beweismittel. Der nordrhein-westfälische Landtag hat deshalb einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er soll die drei Themenbereiche Polizei und Staatsanwaltschaft, Jugendämter sowie den Umgang der Landesregierung mit dem Fall genauer beleuchten. Die nächste Sitzung ist für den 13. September geplant.

(dpa)