Analyse Wie NRW dem Hass auf den Islam begegnen will

Düsseldorf · Über eine neue Koordinierungsstelle können Muslime sich besser vernetzen und zugleich mehr Verantwortung übernehmen.

Mit einem Auftaktkongress im hippen Düsseldorfer Bürogebäude Forty Four hat sich am Donnerstag die neue Koordinierungsstelle vorgestellt.

Foto: Ekkehard Rüger

Das Datum für den Kongress „Muslimisches Engagement in NRW“ ist nicht zufällig gewählt. Am 1. Juli 2009 tötete der damals 28-jährige Rechtsextremist Alexander W. die ägyptische Apothekerin Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden mit 18 Messerstichen. Die im dritten Monat schwangere Frau hatte gegen den Täter wegen rassistischer Beleidigungen eine Geldstrafe erwirkt. Seit 2015 gilt das Datum als „Tag gegen antimuslimischen Rassismus“.

Zehn Jahre nach der blutigen Tat sagt NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) bei der Eröffnung des Kongresses in Düsseldorf über den Mord an Marwa El-Sherbini: „Dass wir sie nicht schützen konnten, empfinden wir als schwere Niederlage, ja, auch als Schande.“ Vielleicht ist es zu einem so frühen Zeitpunkt noch eine Überfrachtung, aber im Kern verfolgt die mit dem Kongress eröffnete und bundesweit einzigartige Koordinierungsstelle „Muslimisches Engagement in NRW“ auch das Ziel, den vielen Gesichtern der Islamfeindlichkeit gesellschaftlich etwas entgegenzusetzen.

Auf mehreren Ebenen versucht die schwarz-gelbe Landesregierung derzeit, die Zusammenarbeit mit den rund 1,5 Millionen Muslimen in NRW auf eine neue Grundlage zu stellen. Im Landtag wurden gerade die gesetzlichen Weichen für eine breitere muslimische Beteiligung am Modell des islamischen Religionsunterrichts an den Schulen gestellt. Und für die am Stamp-Ministerium angesiedelte Koordinierungsstelle wurden zwei neue Stellen geschaffen und ein Budget bereitgestellt. Der Einladung zum Auftaktkongresse folgten rund 200 Vertreter von mehr als hundert muslimischen Organisationen. Es musste aus Kapazitätsgründen sogar einige Absagen geben.

Vom religiösen Verband bis zum muslimischen Karnevalsverein

Die Bandbreite, die sich am Donnerstagvormittag im hippen Bürogebäude Forty Four versammelt, reicht von den bekannten religiösen Verbänden über Sportvereine bis zu Frauen- und Bildungsvereinen. Selbst ein muslimisch geprägter Karnevalsverein ist gekommen. In drei Fachforen befassen sie sich später mit den drei Säulen, auf denen die Koordinierungsstelle ruht: der nach innen gerichteten Idee einer Plattform für den innermuslimischen Dialog; der nach außen gerichteten Gründung eines Expertenrats, der die Landesregierung in allen islamrelevanten Themenfeldern berät und zu kritischen Fragen Positionierungen formuliert; und der nach innen wie nach außen gerichteten Befassung mit denkbaren Projekten, die für mehr gesellschaftliche Verantwortung der Muslime stehen.

Aladin El-Mafaalani, seit diesem Monat Professor für Erziehung und Bildung in Migrationsgesellschaften an der Universität in Osnabrück und zuvor 16 Monate lang im Ministerium Abteilungsleiter für Integration, hat das gesamte Projekt vorbereitet und wird es als Beauftragter des Ministeriums ehrenamtlich auch künftig begleiten. Es gehe weder darum, die großen Verbände zu schwächen, noch darum, die anderen Organisationen und Gruppen sichtbar zu machen. „Sondern es geht um handfeste Probleme.“

Die Probleme, das sind aus seiner Sicht: eine wachsende Islamfeindlichkeit; die in der Breite bisher nicht erfolgte Berücksichtigung muslimischer Bedürfnisse in Politik und Verwaltung; Radikalisierungstendenzen sowohl innerhalb der Muslime als auch gegen sie; und eine große staatliche Verunsicherung im Umgang mit Muslimen und ihren vielen Strömungen. „Muslime stehen im Augenblick unter einer Beobachtung, die enorm ist.“

Wilfried Theißen, Fachgruppenleiter Bürgerschaftliches Engagement beim Paritätischen, begrüßt den Vorstoß der Landesregierung. Es sei wichtig, dass der Islam nicht mehr allein über die eher konservativen religiösen Verbände repräsentiert werde. Auch die muslimische Zivilgesellschaft organisiere sich zunehmend. „Bei uns im Verband registrieren wir eine steigende Zahl von Migranten-Selbstorganisationen.“