Literatur In Düsseldorf startet der „Literarische Sommer“

Düsseldorf · Das deutsch-niederländische Lese-Festival feiert 20. Geburtstag – mit acht Veranstaltungen in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt.

 Jan Brandt setzt sich in seinem Buch „Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt“ mit Gentrifizierung auseinander.

Jan Brandt setzt sich in seinem Buch „Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt“ mit Gentrifizierung auseinander.

Foto: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Der „Literarische Sommer“ feiert dieses Jahr 20. Geburtstag. Bei dem deutsch-niederländischen Literatur-Festival beteiligt sich Düsseldorf von Juli bis August mit acht Veranstaltungen.

Die Geschichte des Festivals begann im Jahr 2000 in Krefeld, Mönchengladbach und Neuss. Die Bibliotheken der drei niederrheinischen Städte wollten das „Sommerloch“ mit Lesungen beleben – mit zehn Veranstaltungen. Seinerzeit boomten Literatur-Festivals nocht nicht so wie heute – längst sprechen Kritiker  von einer „Festivalitis“ im Literaturbetrieb. „Damals konnten die Veranstalter noch jede Besucherin und jeden Besucher mit Handschlag begrüßen“, erinnert sich Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW. Aufgrund des stetig wachsenden Zuspruchs weitete sich das Festival bis in die Niederlande aus.

Mittlerweile  wirken acht deutsche und sieben niederländische Städte am Lese-Fest mit, die Veranstaltungen sind auf 44 gewachsen. Düsseldorf beteiligte sich 2008 an den literarischen Festwochen. Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW übernahm die Projektleitung. Nachdem sich die Kultur-Institution an der Bismarckstraße 90 aber verstärkt bei den Düsseldorfer Literaturtagen engagierte, übergab sie das Zepter an die Stadtbibliothek Neuss. Jede Stadt verantwortet ihr Literaturprogramm allerdings selbst, Neuss kümmert sich um das Booking.

In diesem Jahr haben die Festival-Macher zum ersten Mal die Lyrik ins Zentrum gestellt. Aus diesem Anlass hat Maren Jungclaus die Düsseldorfer Autorinnen Pia Helfferich und Christina Müller-Gutowski eingeladen. Sie werden am 27. August um 20 Uhr in der „Park-Kultur“ an der Oststraße 118 ihre foto-lyrische Anthologie „Poing“ vorstellen. Hinter „Poing“ verbirgt sich eine Anthologie-Reihe für interaktive Lyrik, die der Berliner vom Vauvau-Verlag ins Leben gerufen hat. Sie erscheint alle zwei Jahre. Die Idee: Autoren-Tandems treten über Texte und Bilder zu einem bestimmten Thema in einen Dialog. Helfferich und Müller-Gutowski setzen sich mit urbanen Räumen auseinander.

Außerdem liest am 29. August um 19.30 Uhr der nicht unumstrittene Star-Lyriker Durs Grünbein (der Publizist Fritz J. Raddatz nannte ihn einmal eine „dichtende Luftnummer“)  im Heine-Haus an der Bolkerstraße 52 aus seinem Buch „Aus der Traum (Kartei) – Aufsätze und Notate“. In Aufsätzen, Reflexionen, Reden und Notizen erzählt der 1962 in Dresden geborene Grünbein von nächtlichen Träumen, von Dichter-Heroen wie Ovid oder Goethe und vom bis heute andauernden Streit um sein Herkunftsland DDR.

Inwieweit Düsseldorfs Literaturlandschaft von dem deutsch-niederländischen Lese-Festival profitiert habe, ließe sich schwer beantworten, sagt Maren Jungclaus. Zumal es in der NRW-Landeshauptstadt zahlreiche literarische Veranstaltungs-Formate gebe. Es lasse sich aber ein Stamm-Publikum ausmachen, das sich dank einer Festival-Karte in die teilnehmenden Städte begebe. So kämen dann etwa Besucher aus Krefeld nach Düsseldorf.

Zum 20. Wiegenfest zieht Maren Jungclaus eine zufriedenstellende Bilanz: Viele Sponsoren würden das Festival unterstützen und hätten ihre Förderungen teilweise auch institutionalisiert. Eines allerdings sieht Jungclaus problematisch: „Oft wird an uns herangetragen, dass das Festival eventmäßiger werden müsse. Dabei zeichnen wir uns dadurch aus, dass wir nicht keine Bauchtänze und Ringkämpfe anbieten und dazwischen ein bisschen Literatur verkaufen. Bei uns stehen Texte, Diskussionen und schöne Orte im Mittelpunkt.“

Eines der brennenden Themen unserer Zeit, mit dem sich auch junge Literaten verstärkt auseinandersetzen, ist die Gentrifizierung unserer Städte und damit einhergehend: prekäre Wohnungs- und Lebensverhältnisse quer durch die Milieus. Prominent verhandelt die frisch gekürte Bachmann-Preis-Trägerin Birgit Birnbacher in ihrer Erzählung „Der Schrank“ die Erosion der sozialen Mitte. Auch in Düsseldorf ist das Thema der Gentrifizierung virulent. Momentan auf dem Radar: der Mintropplatz im Maghreb-Viertel hinter dem Hauptbahnhof. Hier werden drei neue Nobel-Hotels gebaut.  Die Gegend, wo aufgrund der günstigen Mieten auch Künstler und Kreative wohnen, könnte sich bald in ein Areal der Wohlhabenden verwandeln. Es könnte nicht passender sein, dass Schriftsteller Jan Brandt am 23. Juli um 20 Uhr in der Zentralbibliothek mit seinem Buch „Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt“ einen literarischen Beitrag zur Gentrifizierungs-Debatte liefert.

Den „Literatursommer“ in Düsseldorf eröffnen wird Karen Duve mit ihrem Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ (3. Juli, 19.30 Uhr, Heine-Literaturhaus, Bolkerstraße 53). Für den Roman über die Geschichte der westfälischen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff erhielt Duve dieses Jahr den Düsseldorfer Literaturpreis.

Am 17. Juli liest der mehrfach ausgezeichnete bosnisch-deutsche Schriftsteller Saša Stanišić um 19 Uhr aus seinem Roman „Herkunft“, Kinderbuch-Autor Jörg Hilbert lässst seinen bekannten Ritter Rost auf den Schrottkönig treffen (18. Juli, 15 Uhr, Zentralbibliothek), der niederländische Autor Jan Brokken berichtet von der Freundschaft zwischen Fjodor Dostojewski und dem baltischen Baron Alexander von Wrangel (22. Juli, 19 Uhr, Literaturbüro NRW) und die ukrainische Schriftstellerin Marjana Gaponenko entführt mit  „Der Dorfgescheite“ in eine mysteriöse Bibliothekswelt.