Frau Kramer, wie wird man Sterbebegleiterin oder Sterbebegleiter, an wen soll man sich wenden?
Sterbebegleiter Helfer in den letzten Wochen des Lebens
Das Interview führte Peter Kurz · 12 000 ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen und Sterbebegleiter sind in NRW aktiv - was sie tun und wie sie ausgebildet werden
Sie üben ein schweres, aber sehr erfüllendes Ehrenamt aus - die knapp 12 000 ehrenamtlichen Sterbebegleiterinnen und Sterbebegleiter in Nordrhein-Westfalen. Die Idee: Menschen und ihren Angehörigen zur Seite zu stehen, die die letzte Phase ihres Lebens in ihrer gewohnten Umgebung verbringen wollen. Um das sicherzustellen, gibt es Hospizdienste, die neben den stationären Hospizeinrichtungen die Menschen zuhause oder auch im Krankenhaus oder im Pflegeheim aufsuchen. Insgesamt fördern die gesetzlichen Krankenkassen die 245 ambulanten Hospizdienste in NRW mit knapp 28 Millionen Euro jährlich. Mit diesem Geld finanzieren die Hospizdienste die hauptamtlichen Mitarbeiter, die Aus- und Fortbildung sowie die Sachkosten. Aber wie kommt man zu diesem Ehrenamt? Und wie findet jemand, der eine solche Sterbebegleitung wünscht, diese Hilfe? Wir sprachen darüber mit Anita Kramer. Sie ist eine der Koordinatorinnen bei einem dieser Hospizdienste – dem Hospizdienst am Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Düsseldorf.
Anita Kramer: Man sollte einen Hospizdienst in seiner Nähe kontaktieren.
Braucht es eine Vorbildung, zum Beispiel im medizinischen oder pflegerischen Bereich?
Kramer: Nein, das braucht es nicht.
Und sind es häufig Rentner, die hier tätig sind?
Kramer: Das war früher so. Wir erleben, dass sich viele junge Menschen während ihres Studiums, aber auch im Berufsleben für diese sinnstiftende Arbeit interessieren. Und natürlich gibt es die Rentner, die allerdings häufig noch so aktiv sind, dass sie weniger Zeit haben.
Wenn man nun einen Hospizdienst gefunden hat, was passiert dann?
Kramer: Dann kann man mit einem der hauptamtlichen Koordinatoren des Hospizdienstes einen Kennenlern-Termin verabreden. Da wird grundsätzlich darüber gesprochen, welches die Aufgaben sind.
Und dann?
Kramer: Wenn nach diesem Gespräch weiterhin Interesse besteht, wird der- oder diejenige zum Befähigungs- und Grundkurs eingeladen. Das sind 100 bis 120 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Da geht es etwa darum: Wie gehe ich auf einen erkrankten Menschen zu, auf die Familie. Es geht auch um die persönliche Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Sterben, Tod und Trauer. Wie ist man mit mir umgegangen, und wie kann ich heute mit diesen Themen umgehen? Wie kann ich jemanden ganz praktisch im Alltag unterstützen. Wie funktioniert ein Pflegebett, wie sieht es aus, wenn jemand einen trockenen Mund hat.
Aber um Pflegeaufgaben geht es doch nicht, oder?
Kramer: Nein, das erledigen Fachkräfte. Es geht bei dieser Alltagshilfe eher um Handreichungen, die auch ein Angehöriger machen könnte.
Wie geht es nach Abschluss der Unterrichtseinheiten weiter?
Kramer: Dann hospitieren die Ehrenamtlichen als Begleiter der schon eingearbeiteten Sterbebegleiterinnen und Sterbebegleiter in den verschiedenen Bereichen. In der Klinik, im Zuhause des Betroffenen oder im Pflegeheim. Da sehen sie dann, welche Aufgaben zu erledigen sind. Und die Ausbildung geht weiter, mit weiteren Theorieeinheiten.
Mit welchen Inhalten?
Kramer: Da geht es um Palliativmedizin - was bedeutet eine gute Schmerzeinstellung, wie funktioniert die Musiktherapie oder die Klangschalentherapie. Wie können Kinder begleitet werden, die ein Elternteil verlieren werden.
Sie sagten, dass die Sterbebegleiter auch ins Krankenhaus kommen. Ist es nicht die Idee der Sterbebegleitung, dass sie sicherstellen soll, dass die Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben?
Kramer: Es gibt eine Studie, wonach 76 Prozent der Menschen gern zu Hause sterben wollen, aber die wenigsten dies tatsächlich realisieren. Zehn Prozent möchten in ein stationäres Hospiz, nur drei Prozent ist das möglich. Mehr als 30 Prozent versterben in einer Einrichtung der stationären Altenhilfe. Und gut 45 Prozent der Menschen versterben im Krankenhaus. Das heißt, der Wunsch, mit Hilfe von Ehrenamtlichen dafür zu sorgen, dass die Menschen zu Hause versterben können, erfüllt sich meist nicht.
Woran liegt das?
Kramer: Die Menschen werden älter, dann auch multimorbider oder bekommen Tumorerkrankungen. Die Hospizbewegungen sind angesichts dessen bemüht und gefordert zu helfen - entsprechend der Orte, in denen sie sich am Lebensende aufhalten. Also auch in den Altenpflegeeinrichtungen.
Nehmen wir den Fall, dass der Patient weiter in seinem Zuhause bleiben kann. Wie sehen dann die Aufgaben aus, haben Sie ein Beispiel?
Kramer: Eine ältere Frau versorgt mit Hilfe des Pflegedienstes ihren kranken Mann zuhause. Das klappt auch gut. Aber sie kommt nicht mehr dazu, an sich selbst zu denken, an ihre Besuche im Schwimmbad etwa. In der Zeit können wir helfen, die Zeit zu überbrücken. Wie das geschehen soll, muss dann mit dem Ehepaar abgestimmt werden. Das kann so aussehen, dass der oder die Ehrenamtliche sich mit dem Mann unterhält. Oder, wenn dieser seine Ruhe haben will, einfach nur da ist, bis die Frau zurückkommt. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen ein Ehrenamtlicher sich mit den Kindern befasst, die mit einem Schwerkranken in einem Haushalt leben, mit diesen spielt oder musiziert. All das gibt es. Das entlastet die Familien. Und schenkt ihnen ein Stück Normalität.
Wenn jemand im Krankenhaus versterben wird - wie sieht da die Hilfe aus?
Kramer: Da denke ich zum Beispiel an einen Fall, in dem eine Sterbebegleiterin sich um die Frau eines Kranken kümmert. Diese sitzt selbst im Rollstuhl und wird zu ihrem Mann gebracht. Sie bekommt Hilfe, sich im Krankenhaus zurechtzufinden. Wir hatten kürzlich einen solchen Fall. Da hat sich auch gezeigt, dass die Frau selbst dringend medizinische Hilfe braucht.
Es geht sicherlich auch viel um Demenz?
Kramer: Ja häufig. Da ist es wichtig, dass die Sterbebegleitung möglichst viele Informationen über den Menschen hat, damit ein Beziehungsaufbau stattfinden kann.
Wie groß ist der zeitliche Aufwand für die Ehrenamtlichen?
Kramer: Bei uns sind das im Durchschnitt etwa vier Stunden pro Woche. Das ist dann nicht nur der Einsatz vor Ort, sondern es sind auch die Fallbesprechungen, die wir einmal im Monat durchführen. Das ist auch eine ständige Fortbildung. Und wir Koordinatorinnen und Koordinatoren sind immer für die Ehrenamtler da, wenn diese Probleme aus ihrem Einsatz verarbeiten möchten.
Ist das ein reines Ehrenamt?
Kramer: Ja, was die Menschen einbringen, ist sowieso unbezahlbar. Natürlich bekommen die Ehrenamtler ihre Fahrtkosten bezahlt.