Opposition bleibt skeptisch NRW-Innenminister Herbert Reul und die Spenden des Falschen
Düsseldorf · NRW-Innenminister Herbert Reul hat sich zum Kontakt zum mutmaßlichen Chef einer Schleuserbande geäußert. Die Opposition bleibt skeptisch.
An diesem Morgen ist Herbert Reul in Sachen eigener Verteidigung in den nordrhein-westfälischen Innenausschuss des Landtags gekommen. Der 71-Jährige sieht ein wenig mitgenommen aus, wirkt aber durchaus konzentriert und verteidigungslustig. Die Opposition ist auf Angriff gepolt. Das einzige Thema der Sondersitzung ab 8.30 Uhr in der Früh: „Welche Kontakte hatte Innenminister Reul zu einem mutmaßlichen Chef einer Schleuserbande?“ Seit Tagen reiben sich SPD und FDP im NRW-Landtag die Hände: Ist Ministerpräsident Hendrik Wüsts Vorzeige-Minister nur ein vermeintlicher Vorzeige-Minister?
Denn: Seit Tagen wabert in den Medien, dass der Innenminister im Zusammenhang mit Ermittlungen um Einschleusungen wohlhabender Ausländer im Fokus steht. Weil der Beschuldigte, der Rechtsanwalt Claus B., der mit Vermittlung von Aufenthaltstiteln an Menschen aus China und dem Oman unerlaubt Geld verdient haben soll und zeitweise in U-Haft saß, mit insgesamt 30 000 Euro an gestückelter Parteispende den Landtagswahlkampf des CDU-Abgeordneten Reul im Rheinisch-Bergischen Kreis 2022 unterstützt hat.
Und auch, weil jener Brockhaus ganz offensichtlich durchaus regen Zugang zum Minister Reul hatte, dabei auch als Lobbyist in verschiedenen Rollen und Aufträgen unterwegs war. „Acht Begegnungen“ habe es mit dem Beschuldigten aus dem Rhein-Erft-Kreis gegeben – das hatte Reul selbst veröffentlicht, nachdem Medien über Kontakte berichtet hatten. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass die mutmaßlichen Schleuser auch Amtsträger in Behörden bestochen haben könnten, um zum Ziel zu gelangen. Hat Reul, der in der Bevölkerung spätestens seit Amtsantritt 2017 als überaus verlässlich und ehrenhaft gilt, tatsächlich damit zu tun?
„Den hätte ich besser auf dem Bürgersteig getroffen“
Reul sagt: Nein. „Ich war damals total arglos, hatte überhaupt keinen Anlass, an der Seriosität dieses Mannes zu zweifeln.“ Und die Begegnungen? Die erste im Februar 2022 gab es im Innenministerium, weitere teilweise auch außerhalb des Ministeriums unter Teilnahme anderer, denen der Anwalt die Tür zum Minister geöffnet habe. Und eine Begegnung auch wegen CDU-interner Wahlkreis-Probleme, die Reul „besser nicht im Büro, sondern auf dem Bürgersteig“ geführt hätte, wie er sagt. Weil das nicht seine Rolle als Minister betraf. „Das hätte ich besser gelassen.“
Ihm sei gesagt worden, der Mann wolle ihn unterstützen. Demnach habe es sich um ein engagiertes CDU-Mitglied gehandelt, Vater von drei Kindern, mit Rechtsanwaltskanzlei und gutem Leumund, der als Geschäftsführer für eine Berliner Kommunikationsagentur gearbeitet habe, über die man nur Gutes gehört habe. „Kein Ansatz, wo ich nachdenklich werden müsste“, sagt Reul.
Der Innenminister verbittet sich den Vorwurf der SPD-Opposition, es entstehe der Eindruck, Termine beim NRW-Innenminister seien käuflich. „Das sollten sie nicht wiederholen, sonst sind wir hier ganz anders unterwegs“, mokiert sich Reul. Solche Lobbyisten-Treffen gehörten „nicht zur Routine eines Innenministers“, findet Christina Kampmann (SPD), die mal Kulturministerin unter Hannelore Kraft war. Er spreche mit vielen Leuten, hält Reul dagegen. „Das ist meine Art, Politik zu machen. Vielleicht muss ich mich inzwischen fragen, ob das wirklich so richtig ist.“ Er werde, so der Minister in dem ihm eigenen Duktus, von seinen eigenen Leuten oft gerügt, weil er so viele Menschen zum Gespräch vorlasse. Aber, so Reul: „Wenn Politiker nicht mehr mit anderen reden, sondern nur noch mit der eigenen Blase, dann kannst du schließen“, sagt er. „Die Spenden haben natürlich keinen Einfluss gehabt auf mein Verhalten – null“. Insgesamt habe er für den Wahlkampf 50 Spender gehabt, der Beitrag von B. sei zwar wichtig, aber nicht maßgeblich gewesen. Heute wisse er, dass er die Treffen besser nicht gemacht hätte: „Politisch-moralisch war es wahrscheinlich unklug.“
Die Opposition will
weiter fragen
„Jeder Anschein einer Verletzung von Dienstpflichten muss weiter restlos ausgeräumt werden. Gerade vom Innenminister erwarte ich, dass er besonders hohe Maßstäbe an die Trennung von Partei- und Ministeramt anlegt. Wie Minister Reul selbst bestätigte, war dies im Falle der Treffen mit Claus B. nicht immer sauber der Fall“, teilt später der innenpolitische Sprecher der FDP, Marc Lürbke, mit. „Besonders bedenklich wäre es, wenn exklusiver Zugang zum Ministerium durch Spenden hergestellt worden ist. Es ist zwar absolut legitim, sich mit Lobbyvertretern zu unterhalten – allerdings äußerst bedenklich, wenn diese vorher die Geldbörse für persönliche Wahlkampfspenden an den Minister öffnen.“ Dass es bei dem von Reul dargestellten Hilfsangebot des mutmaßlichen Schleuser-Chefs an den Minister nicht um Spenden gegangen sein soll, hält Lürbke für nur „schwer vorstellbar“.
Auch Kampmann beurteilt das Ganze scharf: Das sei alles andere als Routine, sagt Kampmann. Zumal die Frage unbeantwortet sei, welche Vorteile sich Claus B. durch seine Termine verschaffen konnte. Sie fragt: „Hat sich der Minister also zum Spielball der Interessen von Claus B. machen lassen?“ Reuls Weg zur versprochenen „vollen Transparenz“ sei noch weit. „Hier geht es schließlich um seine Integrität und das Amt des Innenministers von Nordrhein-Westfalen.“
Die FDP will auch noch wissen, wer „eigentlich den ersten Kontakt zwischen Minister Reul und Claus B. vermittelt hat. Wir fragen uns: Wer war Mister X?“ Herbert Reul sagt in der Sitzung, er werde den Namen nicht nennen. Man müsse sich, so Reul, schon fragen, ob man Menschen in etwas hineinziehe, die damit „gar nichts zu tun haben“.
Alle Kontakte innerhalb
von 14 Monaten
Ob B. etwa von Vertretern des Sportwettenverbands und privater Sicherheitsfirmen, mit denen der Anwalt bei Reul vorstellig oder in gemeinsamen Terminen gewesen war, Geld kassiert habe, wisse er nicht, sagt Reul. „Das kann so sein, das wäre auch nicht verboten.“ Alle Kontakte hätten sich innerhalb von 14 Monaten abgespielt. Danach habe der Mann sich nicht mehr gemeldet, sagt Reul. Soweit er wisse, gehöre der Anwalt seit Ende 2023 nicht mehr der CDU an, weil er seine Beiträge nicht mehr bezahlt habe. Das hatte die NRW CDU bereits vor Tagen bestätigt. Die Ermittlungen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits 2020 aufgenommen, die Taten sollen sich teilweise bereits in den Jahren 2016/2017 ereignet haben.
Von den Razzien in der Thematik sei das Düsseldorfer Innenministerium kaum befasst gewesen. „Ich hatte keinerlei Informationen.“ Die SPD zweifelt das angesichts der Größe des Einsatzes mit einem Schwerpunkt in NRW an. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 58 Beschuldigte und 147 mutmaßliche Nutznießer, die durch die Schleuser illegal an Aufenthaltstitel gelangt sein sollen. Hilfe kommt am Ende von AfD-Seite für Reul, ob ihm das recht ist oder nicht. Der AfD-Abgeordnete Markus Wagner bilanziert, er glaube nicht, dass Reuls politisches Handeln „käuflich zu erwerben war“.