Sozialer Wohnungsbau „Wohnungswirtschaft im Schraubstock“

DÜSSELDORF · NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) zur Milliarden-Wohnraumförderung des Landes im vergangenen Jahr.

Die Zahl der öffentlich geförderten neuen Mietwohnungen ist im vergangenen Jahr in NRW im Vergleich zu 2021 fast um ein Viertel eingebrochen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Von Ende 2021 bis Mitte 2022 stieg die Bevölkerungszahl in NRW durch die Zuwanderung von Geflüchteten um 153.171 Menschen auf jetzt mehr als 18 Millionen. „Da können Sie fast nicht gegen anbauen“, sagt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). Und schon ohne diesen Zuzug von Menschen insbesondere aus der Ukraine geht es nicht gut voran beim dringend notwendigen Wohnungsbau. Das wurde am Freitag klar, als die Bauministerin die Ergebnisse der öffentlichen Wohnraumförderung des Landes 2022 vorstellte. Ihre Bewertung klingt wenig optimistisch: „Die Wohnungswirtschaft ist im Schraubstock gefangen, wenn es darum geht, Investitionsentscheidungen zu treffen“, sagt Scharrenbach. Und sie nennt die Gründe. Zum einen habe das damit zu tun, dass der Bund die Effizienzhausförderung gestrichen habe. Was dazu geführt habe, dass Wohnungsunternehmen Projekte auf Eis gelegt hätten. Hinzu kommen die stark steigenden Bauzinsen. Und die Steigerung der Baukosten. Nicht zu vergessen die Inflation und der Mangel an Handwerkern.

All das schlägt sich auch deutlich in den Zahlen bei der Neuschaffung von öffentlich geförderten Mietwohnungen nieder. Im Jahr 2022 wurden nur 3993 neu zu bauende Mietwohnungen bewilligt. Das sind 23,8 Prozent weniger als 2021. Da waren es noch 5239.

Jochem Witzke, Landesvorsitzender des Deutschen Mieterbunds NRW, sagt dazu: „Unsere schlimmsten Erwartungen wurden bestätigt. Und im Ministerium wird dennoch weiter an den alten Strategien festgehalten.“ Obwohl die Landesregierung wieder nicht alle zur Verfügung stehenden Fördermittel an den Mann beziehungsweise an die investitionsbereiten Wohnungsunternehmen gebracht habe, solle an der Strategie wenig geändert werden. Witzke: „Was lässt die Ministerin annehmen, dass sie mit noch mal mehr Mitteln nun mehr Bauwillige findet?“ Hintergrund: Das Land will bis 2027 insgesamt neun Milliarden Euro in die Wohnraumförderung investieren.

Witzke bezieht sich auf die auch von Ina Scharrenbach genannte Zahl, dass allein im vergangenen Jahr vom Land besonders viel Geld, nämlich  rund 1,1 Milliarden Euro in die Wohnraumförderung gesteckt wurde. Doch viel von dem Geld fließe in Modernisierungen. Das Land müsse den Schwerpunkt der Wohnraumförderung deutlich stärker auf die Neuschaffung von preisgebundenen Mietwohnungen legen. Witzke fordert: „Wenn sich keine Investoren finden lassen, muss das Land diese Aufgabe selbst wahrnehmen und über eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das hätte auch den Vorteil, dass die mit Steuermitteln errichteten Wohnungen im Eigentum der Allgemeinheit blieben.“

Das sieht Konrad Adenauer, Präsident des Hauseigentümerverbands Haus und Grund NRW ganz anders: „Eine neue Landesentwicklungsgesellschaft stünde vor den gleichen Herausforderungen wie jeder andere Investor auch. Es ist nicht ersichtlich, warum sie diese besser bewältigen können sollte.“ Haus und Grund sieht die öffentliche Wohnraumförderung durch das Land und die landeseigene Förderbank NRW.Bank gerade jetzt als besonders wichtig an: „Die steigenden Zinsen machen das öffentlich geförderte Bauen mit seinem niedrigen Zinsniveau und den hohen Tilgungsnachlässen wieder attraktiv, gerade auch für private Investoren, die frei finanzierte Projekte derzeit auf Eis legen“, sagt Verbandsdirektor Erik Uwe Amaya, der auch dem Beirat der NRW.Bank für Wohnraumförderung angehört.

Eckhard Forst, Vorstand der NRW-Bank betont, dass nun auch Menschen mit höherem Einkommen in den Genuss der Förderung mit teilweise jahrzehntelangen günstigen Zinsen kommen. So habe es bislang zum Beispiel für ein Paar mit zwei Kindern die Grenze von 105 000 Euro Jahresverdienst gegeben. Wer darüber lag, konnte keine Förderung in Anspruch nehmen. Nun sei in dem Beispielsfall die Grenze auf 140 000 Euro angehoben worden.

Scharrenbach verweist darauf, dass mit den im Jahr 2022 insgesamt 7919 geförderten Wohnungen – darunter 1000 Modernisierungsmaßnahmen mehr als 2021 – in NRW pro Tag 22 mietpreisgebundene Einheiten neu in den Bestand gekommen seien. In NRW habe es Ende 2021 rund 442 000 der bundesweit gut 1,1 Millionen preisgebundenen Mietwohnungen gegeben. Immerhin habe sich die Abwärtskurve zumindest abgeflacht. Während der Bestand an preisgebundenen Wohnungen zwischen 2005 und 2015 in jedem Jahr um durchschnittlich rund 3,8 Prozent abgenommen habe, seien es 2021 nur minus 2,2 Prozent gewesen. In Bonn, Münster und Paderborn seien die Bestände sogar wieder leicht angewachsen.