Streit „Nicht schützenswert“: Stadt lehnt Tempo 30 vor der Junior Uni ab
Die Stadt verweist auf die Vorgaben des Gesetzgebers. Hindernis sei die private Trägerschaft. Aber das Bundesverkehrsministerium widerspricht.
15 neue Tempo-30-Strecken will die Stadt bald einrichten. Vor Schulen, Kindergärten und Altenheimen. Doch die Junior Uni ist bei der Überprüfung durchgefallen. Sie sei „keine schützenswerte Einrichtung“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung, weil privat geführt, heißt es aus dem Rathaus.
Ein Urteil, das bei den Betroffenen Kopfschütteln hervorruft. „Absurd“, nennt es Junior Uni-Geschäftsführer Ernst-Andreas Ziegler, der ankündigt: „Das werden wir nicht hinnehmen.“ Die Stadt beruft sich auf Vorgaben des Gesetzgebers. Man wolle Rechtssicherheit haben. Das Bundesverkehrsministerium allerdings widerspricht dem auf Anfrage der Westdeutsche Zeitung.
Dass Thorsten Wagner, Abteilungsleiter Verkehrslenkung und Straßennutzung im Rathaus, selbst nicht ganz glücklich mit der Entscheidung scheint, wird im Gespräch deutlich. Grundlage sei die Rechtseinschätzung seiner Verwaltungskollegen gewesen. Doch für Außenstehende ist die Begründung der Stadt kaum nachvollziehbar.
Hintergrund ist die „Novellierung der Straßenverkehrsordnung zu § 45 Abs. 9 der StVO“: Erstmals können Kommunen auch auf Straßen des überörtlichen Verkehrs – umgangssprachlich Hauptstraßen – Geschwindigkeitsbeschränkungen, also temporär Tempo 30, vor sozialen Einrichtungen einrichten. Bestimmte Voraussetzungen, etwa viel Verkehr im direkten Einzugsbereich, müssen erfüllt sein.
Die Junior Uni beziehungsweise die Loher Straße seien, sagen viele, eigentlich ein Musterbeispiel. Doch eben weil sie eine private Bildungseinrichtung ist und keine öffentlich-rechtliche Schule, falle sie heraus, sagt Wagner. Aus demselben Grund war auch die Station Natur und Umwelt zunächst auf der Liste der Abgelehnten gelandet.
Andere private Einrichtungen stehen auf der Liste
Ein Blick auf die Einrichtungen, an denen demnächst während der Betriebszeiten Tempo 30 gilt, verdeutlicht aber den vermeintlichen Bürokratieirrsinn. Denn bei den Altersheimen sind sehr wohl solche mit privaten Trägern dabei und bei den Kitas diverse Elterninitiativen.
„Wir haben junge Studierende ab vier Jahren hier“, zeigt Ziegler großes Unverständnis. „Die Kinder sind genauso schützenswert.“ Schon länger habe er sich für Tempo 30 auf der Loher Straße eingesetzt. Jetzt gebe es eine Möglichkeit und trotzdem lehne die Stadt es ab. Dass ausgerechnet das private Engagement jetzt das Hindernis sei, gehe gar nicht. Dass man die Sicht der Stadt kritisch hinterfragen werde, kündigte Hans-Hermann Lücke (CDU), Barmens Bezirksbürgermeister, gegenüber der WZ bereits an.
Auch der Verein Fuss e.V.
kritisiert die Entscheidung
Auch Thorsten Niebuhr von der Wuppertaler Ortsgruppe des Vereins Fuss e.V. ist sauer auf die Stadt. „Wovor hat sie Angst?“ Für die Loher Straße sei Tempo 30 in diesem Abschnitt notwendig, erklärt er. Die Gehsteige seien mit 1,60 Meter Breite extrem schmal. Hinzu komme, dass dort ja nicht nur die Junior Uni und eine Schwebebahnstation lägen. Gegenüber befindet sich der vor einigen Jahren aufwändig sanierte Spielplatz, der stark frequentiert sei, so Niebuhr.
Bislang sei er im Rathaus mit seinem Vorstoß für Tempo 30 stets auf Ablehnung gestoßen. Unter anderem hatte die Stadt das damit begründet, dass die Loher Straße im Prinzip ein Autobahnzubringer sei. Aber auch dieses Argument ziehe nicht mehr, so Niebuhr. Denn demnächst würden unter anderem auf der Nevigeser und der Briller Straße Tempo-30-Strecken eingerichtet
Laut Wagner wolle sich die Stadt absichern. Dass sei man allen Verkehrsteilnehmern schuldig. Schließlich seien Tempo-30-Regelungen „massive Eingriffe in Hauptverkehrsstraßen“. Und die müssen rechtssicher sein, sagt Wagner. Sonst könnten Bürger Einsprüche erheben oder sogar klagen.
Möglicherweise haben die Rechtsverantwortlichen im Rathaus aber auch einfach etwas missgedeutet. Denn das Bundesverkehrsministerium kommt auf WZ-Anfrage zu einer anderen Einschätzung. Die Rechtsänderung diene dem Abbau bürokratischer Anordnungshürden, heißt es, „und kommt besonders schützenswerten Personenkreisen wie beispielsweise Kindern zu Gute. Eine Einschränkung im Sinne eines Ausschlusses von Einrichtungen, die durch Private betrieben werden, sieht der Vorordnungswortlaut nicht vor.“ Sprich: Das Ministerium sieht keine Grundlage, warum die Junior Uni deshalb herausfallen sollte.
Damit müsste sich die Stadt auch gar kein Schlupfloch mehr suchen wie zum Beispiel bei der Station Natur und Umwelt. Für die gibt es nämlich schon ein Happy End. Weil im Dezember nebenan der neue Deutsch-Französische Kindergarten – übrigens auch eine Elterninitiative – eröffnet hat, den die Stadt zum Zeitpunkt der Prüfung nicht auf dem Schirm hatte, wird es dort wohl doch noch eine Tempo-30-Strecke geben.