Wuppertal 50 Jahre von Oberbarmen in die Welt

Rainer Piesker schließt sein traditionsreiches Reisebüro an der Schwarzbach.

Foto: Anna Schwartz

Oberbarmen. Ich habe die ganze Welt gesehen“, sagt Reinhard Piesker. Legendär sind die Reisen seiner „Nächstebrecker Reisefamilie“. Vor drei Jahren feierte er noch das 50-jährige Bestehen seines Reisebüros an der Schwarzbach. Doch Ende Februar hat der 80-Jährige sein Geschäft aus gesundheitlichen Gründen geschlossen. Die Räume sind schon weitgehend ausgeräumt. „Nur meine ganzen Fotos stehen noch im Keller“, seufzt Piesker.

Seine Busreisen-Kartei erben die Reiseveranstalter Harro Meinhardt und Axel Blankennagel. „Ich freue mich, dass es Nächstebrecker sind, die meine Kunden übernehmen“, sagt Piesker. Im Laufe der Jahre hat er eine enge Beziehung zu vielen seiner Kunden entwickelt. Immer wieder erreichen ihn Dankeskarten. „Ich bedaure im Nachhinein, nicht schon viel früher mit Ihnen gereist zu sein“, schreibt etwa eine Kundin.

Dafür hat Piesker viel Zeit und Mühe aufgewandt. 1964 Jahren übernahm er das seit 1910 bestehende Lotto und Tabakwarengeschäft an der Schwarzbach. Mit dem steigenden Interesse der Deutschen an Fernreisen entwickelte er im Hinterzimmer das Reisebüro, während seine Frau vorne weiter Zigaretten und Zeitschriften verkaufte. „In den 80er Jahren war ich an sechster Stelle der Top Ten Lotto-Reisebüros in NRW“, erzählt Piesker stolz. 1989 organisierte er die erste Reise nach Kalifornien — damals mit 80 Gästen. Der Reisefachmann interessierte sich schon immer für andere Länder. „Ich habe schon als Schüler von der Welt geträumt.“

Detailliert arbeitete er mit Hilfe von Reiseführern und Prospekten die Reisen aus. 1975 ging zum ersten Mal die Nächstebrecker Reisefamilie auf Tour. „Im Bus habe ich immer ein Quiz oder eine Tombola gemacht. Das Geld, das dabei zusammen kam, habe ich gespendet“, berichtet Piesker. Die Wuppertaler Tafel profitierte davon ebenso wie die Dresdner Frauenkirche. Und die Fahrgäste genossen die Unterhaltung.

Alle Erdteile hat Piesker mit der Reisefamilie besucht. Er kletterte in Peru durch die Ruinenstadt Machu Picchu, besuchte in Kambodscha die Tempelanlage Angkor Wat und stieg in Aistralien auf den Uluru (Ayers Rock). Er leitete Kreuzfahrten zum Kap Horn und fütterte Rochen aus der Hand. Viele Fotos von beeindruckenden Denkmälern, Naturschönheit und Einheimischen in folkloristischer Tracht zeugen von den Erlebnissen. „Einmal machte ich Fotos von einer Polizistin am Marktplatz von Cusco in Peru. Zwei Jahre später kam ich wieder und brachte das Foto mit — da habe ich sie tatsächlich wiedergetroffen“, erzählt Piesker. Immer wieder rührte er die Menschen in der Ferne mit diesen Fotos. „Wenn ich aber in Afrika oder Asien Fotos von der Schwebebahn zeige, drehen die immer das Foto falsch herum“, sagt er mit einem Grinsen. Reisen in den Oman und Jemen seien Höhepunkte gewesen. „Das sind unheimlich freundliche Leute. Und mit dem Islam hatten wir nie Probleme.“

Ein besonderes Faible hat Piesker für Fluggeräte. „Außer dem Zeppelin habe ich alle Flugkörper erlebt.“ In Venezuela probierte er ein Leichtflugzeug aus, in Lappland ein Wasserflugzeug, in Radevormwald ein Segelflugzeug. Ein Foto zeigt ihn im Gleitschirm. „Ich habe auch einen Gutschein für die Ju52 — vielleicht habe ich jetzt ja Zeit dafür.“ 50 Jahre lang hatten er und seine Frau nie Zeit für einen entspannten Urlaub. Jetzt werden sie ihren verdienten Ruhestand genießen.