Im Einsatz mit... Ärztin aus Wuppertal berichtet: Ein Leck in der Rückenmarkshaut

Wuppertal · Oberärztin Mona Sleimann erzählt aus ihrem Arbeitsalltag in der Neurologie des Agaplesion Bethesda Krankenhauses.

Mona Sleimann ist Oberärztin in der Neurologie des Agaplesion Bethesda Krankenhauses. 

Foto: Fischer, Andreas H503840

Eine Patientin kam aus eigener Veranlassung in unsere Notaufnahme, da sie seit einer Woche unter zunehmenden Kopfschmerzen leide. Die Kopfschmerzen träten nur in aufrechter Position auf, im Liegen seien sie rückläufig. Seit einigen Tagen sei eine beidseitige Hörminderung hinzugekommen. Die Einnahme von freiverkäuflichen Kopfschmerzmitteln, wie zum Beispiel Ibuprofen, sei wirkungslos gewesen, berichtete sie.

Lageabhängige Kopfschmerzen, die sich beim Sitzen oder Stehen zeigen und nach dem Hinlegen rasch bessern, sind sehr typisch für ein sogenanntes „Liquorunterdruck-Syndrom.“

Wie entsteht ein solches Liquorunterdruck-Syndrom?

Das Gehirn und das Rückenmark sind von Nervenwasser („Liquor cerebrospinalis“) und Hirn- respektive Rückenmarkshäuten umgeben. Dadurch sind sie vor Erschütterungen geschützt. Defekte in der Rückenmarkshaut können durch stattgefundene Nervenwasseruntersuchungen (sogenannte „Liquorpunktionen“) oder aber einen spitzen Knochensporn an der Wirbelsäule ausgelöst werden. Manchmal gibt es auch Liquorunterdruck-Syndrome, dessen Ursachen ungeklärt bleiben („idiopathisches Liquorunterdruck-Syndrom“). In einigen Fällen können harmlose sogenannte Bagatellverletzungen, abrupte Bewegungen, heftige Husten- oder Niesattacken Risse in den Rückenmarkshäuten auslösen. Solche Risse führen zum Austritt von Nervenwasser. Der Nervenwasserverlust wird durch die Wirkung der Schwerkraft in aufrechter Position verstärkt, das Gehirn sackt dadurch im Stehen ab („sagging of the brain“). Die so entstandenen Zugkräfte führen zu den oben genannten positionsabhängigen Kopfschmerzen. Auch andere Symptome wie Ohrdruck, Erbrechen, Taumel, seltener auch Doppelbilder oder Hörstörungen können auftreten.

Bei unserer Patientin hatte keine vorausgegangene Nervenwasserentnahme vorgelegen, an ein (banales) Trauma oder dergleichen konnte sie sich auch nicht erinnern. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes kann indirekte Zeichen auf das Vorliegen eines Liquorunterdruck-Syndroms liefern. Zum Beispiel kann man in manchen Fällen insbesondere bei schon länger bestehenden Beschwerden sehen, dass die Hirnhäute Kontrastmittel aufnehmen und prominenter erscheinen. Bei unserer Patientin hatte die MRT vom Kopf keine Auffälligkeiten erbracht.

Mithilfe einer MRT der Wirbelsäule haben wir bei ihr allerdings einen Nervenwasseraustritt aus der Rückenmarkshaut nachgewiesen. Zur genaueren Lokalisierung des Liquorlecks setzten wir eine sogenannte CT-Myelografie ein. Dabei wird zunächst Kontrastmittel in den Nervenwasserkanal an der Lendenwirbelsäule injiziert und dann eine Computertomografie-Untersuchung (CT) der Wirbelsäule angefertigt. Bei unserer Patientin befand sich das Liquorleck in Höhe der unteren Halswirbelsäule.

Wie wird das Liquorunterdruck-Syndrom behandelt?

In vielen Fällen tritt ein Spontanverschluss des Liquorlecks und somit auch eine Besserung der Beschwerden unter Einhaltung einer Bettruhe ein. Sollten die Beschwerden trotz Einhaltung einer Bettruhe anhalten, kommen bestimmte Medikamente zum Einsatz, wie zum Beispiel Koffein. Wenn sich auch darunter keine wesentliche Besserung zeigt, muss die Undichtigkeit beseitigt werden. Dies geschieht mithilfe eines sogenannten Blutpatches. Bei diesem Verfahren wird Eigenblut, das kurz zuvor steril aus einer Vene der Patientin entnommen wurde, in den Raum um die Rückenmarkhäute („Epiduralraum“) gespritzt. So wird das Leck tamponiert und vernarbt anschließend. Dieser minimalinvasive Eingriff ist sehr oft erfolgreich. In manchen Fällen muss eine Blutpatch-Behandlung wiederholt werden. Nur in seltenen Fällen, wenn beispielsweise Bettruhe, medikamentöse Therapie und auch die Blutpatch-Behandlungen erfolglos geblieben sind, kann ein operativer Verschluss des Liquorlecks notwendig werden.

Nachdem bei unserer Patientin trotz mehrtägiger Bettruhe und medikamentöser Therapie keine durchgreifende Besserung der Beschwerden eingetreten war, führten wir eine Blutpatch-Therapie durch. Nach einer einmaligen Blutpatch-Therapie waren die Kopfschmerzen und auch die Hörminderung erfreulicherweise vollständig zurückgegangen.