Veranstaltung Amanda Coogan verwandelt die Wuppertaler City in eine Bühne
Wuppertal · „Con/temporary Wuppertal“: Sechs Stunden, zwölf Performances an zwölf Orten
Lange, blau-gold-silberne Glitzerbänder umfließen den Körper der jungen Frau wie ein schützender Kokon. Große Umzugsverpackungstaschen mit rotblau-weißem Karomuster umschließen eng verflochten den Körper einer anderen. Karina Syndicus und Ea Pageix, die in den Kostüme stecken, bewegen ihre Glieder ganz langsam, ohne sich wirklich fortzubewegen. Konzentriert, den Blick nach innen gerichtet, folgen sie einer geheimnisvollen Choreografie, die sie zwischendurch in ein Duett verschränkt. All das an ungewöhnlicher Stelle, vor der Schwebebahnstation Döppersberg. Die Menschen gehen an ihnen vorbei, einige bleiben stehen, zücken das Smartphone. Die Frauen erregen an diesem frühen Dienstagabend mehr Aufmerksamkeit als die Banner, die seit einigen Tagen über der Elberfelder Fußgängerzone hängen. Beide ein Vorgeschmack auf die Open Air-Performance-Aktion, die am Samstag an zwölf Orten der City stattfindet.
Amanda Coogan ist eine der erfolgreichsten zeitgenössischen irischen Performancekünstlerinnen, dazu Meisterschülerin von Marina Abramović mit eigener Briefmarke und internationalem Renommee. In Wuppertal wird die 53-Jährige von Nicole Bardohl vertreten, in deren Galerie Kunstkomplex die Performancekunst einen festen Platz hat. Gemeinsam überlegten sie, Coogans Choreografie, die diese in Gebärdensprache zu Beethovens neunter Sinfonie entworfen hatte, in Wuppertal aufzuführen.
Wupper, Textilstadt und Performancetradition
Im Gespräch formte sich daraus die Idee des Projekts mit seinen zwölf Live-Performances, das nun am Samstag sechs Stunden lang die Fußgängerzone zwischen Von der Heydt-Museum und Elberfelder Verwaltungsgebäude, zwischen Bahnhof und Kolk in eine Open Air-Bühne verwandelt. Die Kunst zu den Menschen bringt, die sie sonst nicht erleben. Ohne Erzählung, ohne Deutungshoheit, ein Angebot zum Innehalten, zur Wahrnehmung einer Veränderung, die vielleicht, so Coogan, „einen bekannten Ort auch später anders wirken lässt“. Die Künstlerin wünscht sich, dass die Aktion in die Sozialen Medien schwappt, gefilmt, fotografiert, gepostet und geteilt wird.
Wuppertal gilt spätestens seit Beuys und Fluxus als Stadt der Performancekunst. Wuppertal liegt an der Wupper und hat eine große Vergangenheit als Textilindustriemetropole. Drei Aspekte, die Coogans Projekt zusammenführt. In ihren selbst geschneiderten fantasievollen Kostümen aus Taschen, Mänteln, Krägen und anderen Kleidungsstücken, aus bunten Fäden und schwingenden Stoffen, die mal wie schwere Berge, mal wie leicht schwingende Federn die Körper umschließen. Coogan hat mit den zwölf Tänzerinnen, die Bardohl in der Region gefunden hat, einen Workshop gemacht, ihnen eine Richtung, choreografische Passagen von 15/20 Minuten mitgegeben, die diese verändern, improvisieren. In die zeitlupenartigen Gesten, Schritte, Drehungen und Bückungen kurze schnelle Abfolgen einbinden. In den sechs Stunden ihres Auftritts auch die Orte tauschen. Bonbons wie Geheimnisse aus versteckten Taschen hervorholen und verteilen oder blaue Blasen aus dem Mund quellen lassen. Wortlos sprechende Körper und Gesten, die eine Zeitlang die Stadt übernehmen.
Coogan selbst wird unter ihnen sein, freut sich auf die Begegnungen, die ihre poetisch betitelten Performances (wie „Don’t Push The River“) auslösen. Sie ist unheimlich aufgeregt. Nach einigen Treffen ist sie seit Montag fest in der Stadt. Die Vorarbeiten begannen im Februar. Finanziell unterstützt wird das Projekt durch die Stadt Wuppertal und das Irische Kulturinstitut („Zeitgeist Irland 2024“). Kulturdezernent und Schirmherr Matthias Nocke freut sich, dass die Elberfelder City „eine andere Aufenthaltsqualität jenseits der Baustellen erhält.“ Zumindest für ein paar Stunden.