Leserzuschrift Andauernder Kita-Streik: „Es trifft die Falschen“

Welche Folgen der Ausstand für eine Wuppertaler Familie hat.

Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. Der unbefristete Streik wurde uns vom Kindergarten im April angekündigt, auch wenn kein Streikbeginn feststand. Da unser Kindergarten in der ersten Maiwoche eine Fortbildung hatte, haben wir beim Arbeitgeber Urlaub eingereicht und dachten noch — wie sich aktuell zeigt — viel zu naiv: Wenn wir aus dem Urlaub zurück sind, dann wird der Streik vermutlich schon wieder vorüber sein.

Weit gefehlt, wie sich aktuell herausstellt. Die vorausgegangen Warnstreiks führten bereits dazu, dass zehn Prozent unseres Jahresurlaubs genommen werden mussten, nicht eingerechnet die Fortbildung und der nun schon seit fast drei Wochen anhaltende und unbefristete Streik.

Wir hatten das Glück, dass wir noch einen Platz in der „Notunterkunft“ bekommen haben, allerdings ist Glück vermutlich das falsche Wort. Unser Sohn ist nämlich gar nicht glücklich und äußert das auch sehr klar. Die Nerven scheinen nicht nur bei den Eltern zum Zerreißen, sondern auch bei den Erzieherinnen der Notgruppen. Die Stimmung ist aufgeheizt und wir Eltern sehen das als zusätzliches Problem, da wir aktuell noch besorgter sind. Wer gibt sein Kind schon gerne zur Verwahrung ab? Da noch zwei weitere Kinder aus dem ursprünglichen Kindergarten einen Platz in der Noteinrichtung bekommen haben, wechseln wir uns mit dem Bringen und Holen ab.

Wir können nur betonen, dass die Notunterkünfte keinen pädagogischen Ansatz haben, sondern Verwahrungsstellen sind. Hier herrscht allerdings auch Konsens mit den Erzieherinnen, die dies ganz offen kommunizieren. Die Eltern wissen also, woran sie sind und müssen sich auf diese Ohnmachtsposition einstellen.

Die Eltern und vor allem die Kinder sind das Instrumentarium der Gewerkschaft und werden in unseren Augen missbraucht. Da kein direkter Druck beim Arbeitgeber aufgebaut werden kann, wird zu diesen Mitteln gegriffen.

Unser Sohn mag nicht in die Betreuung, hat Bauchschmerzen, Alpträume, weint und ist vor allem nicht mehr so fröhlich wie noch vor ein paar Wochen. Aktuell geht es ihm gar nicht gut, er hat Ängste entwickelt und der Kinderarzt sieht die aktuelle Situation als möglichen Auslöser. Dies scheinen die streikenden pädagogischen Kräfte aber billigend in Kauf zu nehmen.

Es macht uns wütend, dass die Auswirkungen bei den Kindern unterschiedlich, aber deutlich sichtbar sind. Unser Sohn fragt immer wieder, warum er nicht mehr in seinen Kindergarten, zu seinen Freunden, darf. Eine Erklärung ist hier wirklich schwer, vor allem ohne dem Kind einen „Buhmann“ zu präsentieren.

Wir stellen hier nicht infrage, ob eine Gehaltserhöhung gerechtfertigt ist. Hierüber können und werden wir nicht urteilen, fehlen uns doch hierzu erforderliche Einblicke.

Aber die Art und Weise, die Forderung durchsetzen zu wollen, halten wir definitiv für falsch und nicht fair. Was wurde uns alles erzählt, was so wichtig für die Förderungen und Entwicklung der Kinder ist — sei es die Eingewöhnungszeit oder gleichbleibende Erzieher/innen. Das komplette Konzept wird über den Haufen geworfen.

Aktuell gehen wir davon aus, dass sämtliche geplanten Aktivitäten im eigentlichen Kindergarten nicht mehr stattfinden werden. Es wurde eine Waldwoche geplant und darüber hinaus das Abschiedsfest der Kinder, die nach den Sommerferien in die Schule kommen. Wir stellen uns darauf ein, dass unser Sohn „seinen Kindergarten“ nicht mehr besuchen wird.

Zum Wohle des Kindes wird gestreikt. Allerdings hier eher zum Wohle der künftigen Kindergartenkinder und nicht der vom Streik Betroffenen. Wenn die erste Bildungsstätte eines Kindes, die ja richtigerweise als unverzichtbar angesehen wird, ihrer selbst ernannten Verpflichtung nicht nachkommt, dann ist das Hemd wohl näher als die Hose bzw. die Kinder nicht mehr so wichtig, wie überall propagiert wird.

Bleibt für alle nur zu hoffen, dass die Andeutungen von Herrn Bsirske Früchte tragen und der Streik zum Wochenende endlich beendet wird. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!