WZ-Kunstauktion Atelierbesuch: Wuppertaler Bildhauerin will die Grenzen zwischen Kunst und Design ausloten
Wuppertal · Die WZ-Kunstauktion nimmt Fahrt auf. Wir waren bei der Wuppertaler Künstlerin Jaana Caspary in ihrer Atelier-Werkstatt am Arrenberg zu Gast.
Vorbei an Zwillen, Hammer, Stichsäge und Bohrer, die in Koffern, in Regalen oder auf Tischen liegen, wandert der Blick zu einer Wand: Davor auf hohen schwarzen Podesten cremeweiße Türme, die an Wollknäuel erinnern, zu Stufen geschichtete Noppenrollen, daneben Formen, deren sattgrüne Farben sofort an Tannenbäume denken lassen.
Wer Jaana Casparys Atelier betritt, taucht in eine Welt der Gegensätze ein, in der raue Werkstatt und feinsinnige Kunst miteinander verschmelzen. Spiegel dessen, was die junge Wuppertalerin erschafft. Indem sie gerne profane Gegenstände in witzige, schräge und einfach formschöne Skulpturen verwandelt. Ihr 120 Quadratmeter großes Reich liegt in einem Hinterhof an der Friedrich-Ebert-Straße, die hier noch durch den Arrenberg führt. Gleich oberhalb der Wupper und unterhalb der Schwebebahn, die in die Station Pestalozzistraße einfährt.
Jaana hatte eigentlich keine Wahl. Als sie 1988 in die Künstlerfamilie Caspary mit einem malenden Vater Peter und einer fotografierenden Mutter Rita hineingeboren wurde, begann ein Leben, das von Anfang an viel mit Kunst zu tun hatte. „Im Sommer waren wir in Finnland, wo mein Vater in einer ehemaligen Sauna ein Atelier hatte“, erinnert sie. Die Kinder spielten nebenan im Wald. „Wir haben Holzstücke gesammelt und die geschliffen, bis sie glatt waren und haben sie zusammengebaut.“ In der neunten Klasse folgte ein Praktikum am Tanztheater Pina Bausch, wo ihr der Werkstattleiter ein Buch mit Bildern von Fischen und Rehen gab und sie ein Reh aus Ton modellierte. „Was mir ganz gut gelang.“
Die nächste Etappe ist auch mit einem über Wuppertal hinaus bekannten Namen verbunden. Das für ihr Fachabitur notwendige einjährige Praktikum wollte sie unbedingt bei Tony Cragg absolvieren. Nachdem sie dessen riesige Werkstatt auf dem Grifflenberg erstmals gesehen hatte und „total begeistert war“. Also kam sie immer wieder, bis dieser ihre Hartnäckigkeit belohnte. Aus der schulischen Notwendigkeit entwickelte sich eine Assistenz, die bis 2016 dauerte. Bei dem englischen Wahl-Wuppertaler habe sie handwerklich und formal viel gelernt.
Jaana Caspary stellt ein Gesamtpaket aus vier Boxen mit ihren kleinen Skulpturen (Bild unten) für die WZ-Kunstauktion zugunsten der Tafeln in Wuppertal und Krefeld zur Verfügung. Gesteigert werden kann in der Zeit vom 16. bis 22. Dezember. Nähere Informationen gibt es online. Dort findet sich zusätzlich auch ein Video vom Atelierbesuch.
Im März 2023 wird sie überdies eine Einzelausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden haben, samt Erwerb einer Variante ihrer „Upside Down“-Skulptur für den Park, in der sie zwei an aufgeblasene Tannenbäume erinnernde Formen ineinander verschränkt hat. Eine vier Meter hohe grünlich schimmernde Schwester aus Bronze steht seit diesem Jahr beim Kunstverein Malkasten in Düsseldorf.
Nach der Schule begann das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, das sie nach sieben Jahren als Meisterschülerin von Didier Vermeiren beendete. Weil sie spürte, „dass es Zeit war zu gehen, die Insel zu verlassen und draußen schwimmen zu lernen“. Das Studium sei hoch konzentriert und engagiert gewesen mit einer kleinen Truppe Gleichgesinnter, intensiver Arbeit und Betreuung durch den Professor. Außerdem habe man die besten zwei Räume der Akademie gehabt, hoch und mit einem Riesenkran.
Den belgischen Bildhauer hatte sie sich ausgesucht, weil ihr seine Arbeiten gefielen und seine ruhige, konzentrierte Art angenehm war. Seine minimalistische Kunst, die sich seit den späten 1970er Jahren zunehmend der Frage des Sockels widmet, veranlasst sie, auch bei ihren Skulpturen immer zu überlegen, wo diese nachher stehen, welche Sockelhöhe zur Größe und Proportion passen, oder ob sie vielleicht direkt auf dem Boden stehen sollen.
Jaana Caspary erforscht Formen, setzt Dinge zusammen, macht aus Alltagsgegenständen Objekte. Ihre Arbeiten wirken spielerisch und irritieren, weil vermeintlich Hartes weich, Schweres leicht, sich Oberflächen anders anfühlen, als sie anmuten. Irritationen, die sie nicht anstrebt, die sich aber zwangsläufig aus ihrem Blick auf die Dinge ergeben. In ihrem Kopf löst sie Sofas, Kissen, Kuchenformen oder Plastikspielzeug von ihren ursprünglichen Funktionen und bildet daraus neue Formen. Daraus ergibt sich alles andere: die Materialien, die Farben, die sie verwendet, der Arbeitsprozess – das Abformen, das Ausgießen, das Hinzufügen. Sie lote die Grenzen zwischen Kunst und Design aus, sagt sie selbst. Prozessual, indem sie immer wieder auf ihre symmetrischen Türme, Hängungen, Verwringungen und Reihungen blickt, ihre Arbeiten verändert, an ihrer Ästhetik feilt.
Wer will, kann dabei auch über die fehlende Nachhaltigkeit der Konsumwelt nachdenken. Über die meist witzigen Titel der Kunstwerke schmunzeln, oder rätseln, welche Gegenstände die 34-Jährige verwendet hat. Den Drang des Anfassens freilich sollte man unterdrücken – weil sonst zum Beispiel weiße Gipsformen nachgeweißt werden müssen.
Annähern möchte man sich auch ihren feinen Zeichnungen, die sie mit schwarzem Fineliner erstellt, basierend auf Skizzen für ihre Skulpturen. Raumgreifend auch sie, weil das Volumen der ineinander geflochtenen Wollknäuel sichtbar oder eine Luftmatratze zum fliegenden Teppich wird. Ein Eindruck, der sich auf ihren bunten Fotocollagen verstärkt, auf denen vier orangefarbene Luftmatratzen in ovalem Kreis tanzen oder zwei Chaises Longues mit lachsrosafarbenem Samtbezug zu Flügeln aneinandergefügt sind.
Einige dieser Bilder hängen in ihrer Atelier-Werkstatt, die sie 2015 in einem ehemaligen Lager für Motoren und Autoreifen einrichtete. Zwischen Regalen voller Styropor, Farbsprays, Schubladen mit Schrauben, Feilen oder Spachteln und Modellgipstüten. In Wuppertal, ihrer Homebase mit Familie und Freunden. Mit der Galerie Grölle, die einige Meter weiter an der Friedrich-Ebert-Straße liegt und in der sie Raum 2 kuratiert, und ihrem Skulpturenprojekt Hardt. Mit Charlotte Perrin und Jonas Hohnke, mit denen sie im Verein Interventions Projekte realisiert. Nordrhein-Westfalen sei ein guter Standort für Kunst, Wuppertal sowieso, sagt die junge Künstlerin, „weil ich die Stadt mag mit ihren vielen Möglichkeiten“. Und dem Atelier, mit dem sie einfach Glück gehabt habe.