Wuppertal „Auch Else Lasker war ein Flüchtling“

Die Literaturgesellschaft, die ihren Namen trägt, wird 25 Jahre alt. Der Vorsitzende Hajo Jahn will aber nicht feiern, sondern erinnern.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. 25 Jahre alt wird die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft — am 23. November 1990 ist sie in der Stadtsparkasse gegründet worden. Erstaunliches hat sie seitdem unter ihrem Vorsitzenden Hajo Jahn erreicht und bewegt. 20 Foren hat sie organisiert mit Zeitzeugen, Diskussionen, Filmen und Theaterstücken — eine Art ambulantes Zentrum der verfolgten Künste.

Denn die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft (ELSG) hat sich wie ihre Namensgeberin nicht auf das Tal der Wupper beschränkt, sondern war mit ihren Veranstaltungen in Polen, Tschechien, der Schweiz, Österreich, Italien und zwei Mal in Israel zu Gast. In 13 Sprachen sind die Gedichte der gebürtigen Elberfelderin übersetzt worden, sogar ins Chinesische und Aserbaidschanische — „die Gesellschaft hat das mitangeregt und zum Teil auch finanziert“, sagt Hajo Jahn.

Elf dicke Sammelbände sind erschienen, in denen künstlerische Annäherungen gleichberechtigt neben Erinnerungen und wissenschaftlichen Vorträgen stehen — jeder Almanach bietet reichen Lesestoff.

Am Freitag eröffnet das 21. Forum um 18.30 Uhr in der Stadtsparkasse unter dem Titel „Ein einzelner Mensch ist oft ein ganzes Volk“, natürlich einem Zitat der Dichterin. Doch Hajo Jahn ist dem silbernen Jubiläum zum Trotz nicht zum Feiern zumute. Angesichts der Flüchtlingskatastrophen in Nordafrika und auf dem Mittelmeer will die ELSG in prominent besetzten Veranstaltungen erinnern — und helfen. „Obwohl wir selbst Geld selbst bitter nötig haben, nehmen wir keinen Eintritt, sondern sammeln Spenden für die Organisation Cap Anamur“, so Jahn. Auch die Schauspielerinnen Iris Berben und Nina Hoger machen ohne Honorar mit. „Iris Berben ist seit Jahren engagiert im Kampf gegen den Antisemitismus, beide schätzen Else Lasker-Schüler sehr.“

Das aktuelle Forum ist zeitlich kompakter als frühere Ausgaben. Auch Zeitzeugen, die ihre Erlebnisse als NS-Opfer sonst immer in Schulen geschildert haben, reisen diesmal nicht an. Stattdessen stellen die Organisatoren Hajo Jahn und Ulrike Müller ein anderes Anliegen in den Mittelpunkt. „Auch Else Lasker-Schüler war Flüchtling“, sagt der frühere WDR-Journalist.

Bei der Dichterin wie bei den vielen anderen Künstlern, die Deutschland wegen der Nazi-Diktatur verlassen mussten, heiße es immer, sie seien ins Exil gegangen — „aber als Flüchtlinge sind sie bis heute nicht anerkannt“, sagt Hajo Jahn. Doch langsam geht es voran. Am 8. Dezember eröffnet Bundestagspräsident Norbert Lammert in Solingen offiziell das Zentrum für verfolgte Künste, an dem die ELSG beteiligt ist. Hajo Jahn nickt zufrieden: „Wir haben bewiesen, dass eine andere Erinnerungskultur möglich ist.“