Polizei-Tagebuch Wie unterschiedlich die Menschen doch sind

Meine Dienstwoche hat wieder einmal gezeigt, warum unser Beruf so spannend ist. Die Tage sind nie gleich, weil die Wuppertaler nicht gleich sind, mit denen wir es zu tun haben.

Nele Ernst ist seit Sommer dieses Jahres Polizistin in Wuppertal.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Wenn wir „Bedrohung mit Schusswaffe“ hören, dann sind alle Sensoren auf Alarm geschaltet. Diese Bedrohung mit Schusswaffe war in der vergangenen Woche mein spannendster Einsatz. Man weiß in solchen Situationen nie, was einen vor Ort erwartet. Deshalb sind wir bei diesem Einsatz in Vohwinkel von Elberfelder Kollegen unterstützt worden. Der Täter war nicht mehr vor Ort, wir mussten also zügig nach allem fragen, was es über den Mann zu wissen gab. Gleichzeitig galt es, die Person zu betreuen, die der Mann bedroht hatte. Und auch sie mussten wir befragen. Das ist natürlich doppelt schwer, aber notwendig, um nach dem Täter fahnden zu können. Jede Information zählt und muss sofort an die anderen Kollegen im Einsatz weitergegeben werden.

Aus unserer Sicht ist der Einsatz letztlich sehr gut verlaufen. Der Täter hat sich selbst gestellt, seine Pistole wurde gefunden. Es war keine echte, aber sie sah täuschend echt aus.

Auch auf solch spannende Einsätzen folgt die Bearbeitung der Anzeige. Das gehört bei uns zum Alltag dazu. Alles muss genau erfasst und aufgeschrieben werden. Es geht schließlich sehr oft auch um Rechtsfälle.

So ein Polizeidienst hat auch viel mit Routine zu tun. Das ist mir in meinen ersten Monaten im Dienst schnell klar geworden. Aber Routine heißt ja nicht, dass es langweilig ist. Ganz im Gegenteil. Morgens im Berufsverkehr haben wir es oft mit „Verkehrsunfall mit Sachschaden“ zu tun. Das klingt zunächst einmal nicht sehr spektakulär. Aber hinter diesen Vorgängen verbergen sich Menschen. Und unser Beruf ist auch deshalb so spannend, weil kein Mensch wie der andere ist. Wo die einen total aufgelöst und den Tränen nahe sind und sich nach der Unfallaufnahme für unsere Arbeit bedanken, da sind andere genervt. Sie beschweren sich, dass wir zu lange brauchen und sie deshalb zu spät zur Arbeit kommen.

Dabei müssen wir akribisch arbeiten - zum Wohle aller Unfallbeteiligten. Solche Reaktionen sind immer ein bisschen schade, weil meine Kollegen unsere Arbeit ja nicht für uns allein erledigen, sondern für die Bürger. Aber so ein Verkehrsunfall ist für die Beteiligten natürlich immer auch eine Ausnahmesituation. Für uns ist das Alltag, wenn man zum fünften Unfall der Schicht fährt, für die Betroffenen ist das natürlich ganz anders.

Bei jeder Unfallmeldung spulen sich Fragen wie ein Film ab

Schwieriger wird es auch für uns, wenn bei Unfällen Menschen zu Schaden kommen. Das war in dieser Woche auch ein paar Mal der Fall. Zum Glück ist dabei aber nichts Schlimmes passiert. Dennoch macht man sich auf dem Weg zum Einsatzort immer seine Gedanken. Was wird da wohl geschehen sein? Was erwartet mich? Auf welchen Anblick muss ich mich vorbereiten? Wie ist die Verkehrssituation vor Ort? Fragen über Fragen, die sich bei jeder Unfallmeldung wie ein Film abspulen, wenn der Begriff „Personenschaden“ fällt.

Bisher hat sich dann meistens herausgestellt, dass wirklich nur leichte Verletzungen vorlagen. Mal ein paar Prellungen, die schnell wieder verheilen, mal ein Schleudertrauma, das vergeht. Wenn das so ist, können mein Kollege und ich schneller mit der Unfallaufnahme beginnen. Auch hier ist größte Sorgfalt oberstes Gebot. Denn wie schwer die Verletzungen auch sein mögen, wird der Unfall zurück auf der Wache in einer Verkehrsunfall-Anzeige festgehalten. Warum Anzeige? Weil ein Tatbestand vorliegt. In den Fällen der Woche war es die sogenannte fahrlässige Körperverletzung.

Die begegnet uns manchmal allerdings auch ganz anders. Nach einer Unfallaufnahme kaum zurück in der Wache, erreichte uns der Anruf „hilflose Person“. Auch das gehört zu den Situationen, in denen wir sofort alles stehen und liegen lassen. Da kann es um Menschenleben gehen, was meist zum Glück allerdings nicht der Fall ist.

Diesmal war die hilflose Person an ihrem Zustand selbst schuld. Sie hatte so tief ins Glas geschaut, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Wir fanden die Person an einen Zaun gelehnt vor. Die Schürfwunden im Gesicht zeigten uns, dass es mit der Standfestigkeit nicht weit her gewesen sein konnte. „Alles in Ordnung“, heißt es dann immer, wenn wir kommen, auch wenn unübersehbar gar nichts in Ordnung ist.

Also stellen wir die Personalien fest und rufen einen Rettungswagen. Menschen in diesem Zustand überlassen wir grundsätzlich nicht sich selbst, schon gar nicht bei diesen Temperaturen – und auch nicht, wenn wir dafür übelst beschimpft werden.