Mit Autor Jens Beckert Beim dritten Wuppertaler Transformationsgespräch liegt der Klimawandel im Fokus
Wuppertal · Diskussion in der Elberfelder Citykirche
Über die Folgen der Klimakrise wird fast täglich berichtet. Der Autor Jens Beckert beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Ursachen, die zur Erderwärmung beitragen. In seinem Buch „Verkaufte Zukunft“ gibt er Antworten auf die Frage, warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht. Auf Einladung des Transzent, des Zentrums für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit, war der Kölner Soziologe am Mittwoch in Wuppertal zu Gast. Beim dritten „Transformationsgespräch“ diskutierte er in der Citykirche Elberfeld mit Oberbürgermeister Uwe Schneidewind und Smail Rapic, Philosophieprofessor an der Bergischen Universität. Rita Casale, Professorin für Erziehungswissenschaft, übernahm die Moderation.
Beckert bestritt nicht, dass die Politik viel gegen den Klimawandel unternimmt. Nur dauern die Gegenmaßnahmen aus seiner Sicht zu lange und sind unvollständig. Mit der Mehrheit der Experten geht er von einer Erderwärmung um 2,5 bis 3 Grad aus. Die Flutkatastrophe vom Juli 2021 gebe daher bloß eine Ahnung von den „hochgradig dramatischen Ereignissen“, die jedes Mal Kosten in Milliardenhöhe verursachen werden.
Kritik an Anreiz- und Machtstrukturen
Dass eine angemessene Antwort auf die Klimakrise ausbleibt, erklärte er mit dem Festhalten am „Wirtschaftswachstum“. Solange die Wirtschaft ungehemmt wachse, steige aber auch der Energieverbrauch – ein Bedarf, der für Jahrzehnte nicht auf fossile Energien verzichten könne. Er wolle kein „Bashing der Industrie“ betreiben, so der Autor. Ohne das Zusammenspiel von Unternehmen, Politik und Gesellschaft beim Thema Klimaschutz ließen sich die „bestehenden Anreiz- und Machtstrukturen“ nicht verändern.
Beckert plädierte für ein verstärktes Engagement des Staates: „Ich glaube, dass man Klimapolitik nur mit einer ganz starken sozialen Komponente machen kann.“ Die Abkehr von der Schuldenbremse könne dabei helfen, massive Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Auch Geringverdiener müssten einen Anreiz haben, um den eigenen Lebensstil klimafreundlicher zu gestalten. Eine Politik des „Weiter so“ gefährde auf Dauer die Demokratie. Neben rechten Klimaleugnern gebe es Stimmen, die eine autoritäre Lösung des politischen Stillstands forderten.
Vorsichtig optimistisch äußerte sich OB Schneidewind. Es sei bedauerlich, in welchem Maße „Stimmungslagen“ Fortschritte in Sachen Klimaneutralität erschwerten. Er rechnet mit regen Diskussionen, wenn die neue Wärmeplanung für Wuppertal konkrete Formen annimmt. Gleichzeitig hob er die „Inseln des Gelingens“ hervor. Die Nordbahntrasse habe dem Radverkehr in der ganzen Stadt Impulse gegeben. Die Aktivitäten des Utopiastadt-Vereins belebten eine 30 000 Quadratmeter große Fläche. Dieses soziale Entrepeneurship wolle er nach Kräften fördern.
Smail Rapic stimmte Beckert zu, dass sich Klimapolitik nicht von Fragen sozialer Gerechtigkeit trennen lasse. Der Kampf gegen den Klimawandel müsse zugleich ein Kampf gegen den Rechtspopulismus sein. Die Erfolge rechter Parteien bei der Europawahl und eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps in den USA stellten bereits beschlossene Klimaabkommen in Frage. Seine Kritik galt aber auch den Parteien der Mitte. Die Vorstellung, dass sich ein freier Markt und Klimaschutz miteinander vereinbaren ließe, erfreue sich weiter großer Beliebtheit. Dabei habe schon Adam Smith, Vordenker des Wirtschaftsliberalismus, festgestellt, dass das „Spiel der freien Kräfte“ in Zeiten von Stagnation und Rezession nicht funktionieren könne.
Beckerts Thesen führten im Publikum zu unterschiedlichen Reaktionen. Im Vergleich zur Analyse fielen die Lösungsvorschläge sehr ab, sagte ein Zuhörer. Ein anderer zog aus dem Vortrag des Soziologen den Schluss, „dass wir uns alle engagieren sollten, noch können wir es schaffen“. Eine „einfache, schnelle Lösung“ zur Rettung des Klimas könne er nicht anbieten, sagte Beckert. Derzeit sehe er auf politischer Ebene kein „revolutionäres Potential“, das zu einer besseren Ausgangslage führe.
„Die Hoffnung ist die Jugend“, betonte Rapic. Darum sei es so wichtig, junge Leute an demokratische Werte heranzuführen. Nur eine Stärkung der Demokratie helfe gegen jene Kräfte, die sich den Klimaschutzzielen verweigerten.