Selbstversuch Beim Rollstuhlbasketball in Wuppertal geht es hoch her (mit Video)

Wuppertal · Im Verein Handicap-Sport-Wuppertal trainieren Rollstuhlfahrer und Fußgänger gemeinsam – Reporterin Alexandra Dulinski hat ein Training begleitet.

Rollstuhlbasketballer müssen nicht nur ihr Gefährt beherrschen, sondern auch den Ball und die Umgebung im Blick behalten. WZ-Redakteurin Alexandra Dulinski (vorne) hat den Sport ausprobiert.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Dribbeln. Zwei Züge ziehen. Passen. Ab zum gegnerischen Korb. Passen – und Wurf. Treffer! Abklatschen. Und dann geht es direkt weiter. Dribbeln. Fahren. Passen. Und Wurf. Der Ball geht daneben, das gegnerische Team wirft ein.

Beim Rollstuhlbasketball des Vereins Handicap-Sport-Wuppertal (HSW) geht es hoch her. Rasant sind die Spieler in ihren Rollstühlen unterwegs, waghalsig ihre Wendemanöver. Ishak wirft einen Korb, Bleron aus Team Blau schnappt sich den Ball, fährt ein Stück und passt zu Jenna. Markus stellt sich mit seinem Rollstuhl in den Weg, blockiert den Spieler aus Team Weiß. Es knallt – zwei Spieler sind ineinander gefahren. Unter dem Korb rangeln sich die Spieler, heben die Arme, um den Ball abzufangen.

Zwei Mal in der Woche trainieren die Spieler des HSW in der Sporthalle der Sankt Laurentius-Schule in Elberfeld. Das Team ist vor Kurzem in die Oberliga aufgestiegen. Das Besondere: Auch Fußgänger dürfen im Verein mitspielen. Bleron Maloku ist mit seinen 15 Jahren der jüngste Teilnehmer. Doch im Spiel wird schnell klar: Gegen ihn hat kaum jemand eine Chance. Stets ist er zur Stelle, hat den Ball schon abgefangen, bevor sich manch ein anderer umgedreht hat. Bleron Maloku nimmt an Lehrgängen der U19-Nationalmannschaft teil, mit ein bisschen Glück darf er bald bei Länderspielen mitmachen. „Ich mag den Teamsport und die Tatsache, dass auch Läufer mitspielen können. Dieses Miteinander gefällt mir sehr“, erklärt er.

Das Spiel ist rasant – und erfordert Konzentration. Wo ist der Ball? Wie wende ich den Rollstuhl? Fahren. Wo steht mein Team? Passen. Die Abläufe sind eine Frage der Koordination. Und der Kraft, denn das Rollen geht in die Arme. Ishak Yüksekkaya trainiert die Gruppe schon seit rund fünf oder sechs Jahren, so ganz weiß er es selbst nicht genau. Er selbst hat einst in der Bundesliga gespielt. Vor dem Training bandagiert er sich die Finger, wirft den Spielern die Rolle zu. Zum Schutz vor Blasen an den Fingern, wie er erklärt.

Dass das Aufwärmen vor dem Rollstuhlbasketball ebenso wie vor jedem anderen Sport wichtig ist, weiß er ganz genau. Dafür reihen sich die Spieler vor einer Wand der Turnhalle auf. Mit ihren Rollstühlen sprinten sie zum anderen Hallenende. Rückwärts geht es weiter bis zur Mittellinie, dort drehen sie den Rollstuhl und sprinten vorwärts weiter. Zwei Züge geht es dann vorwärts, stoppen, einen Zug nach hinten, stoppen. Langsam stellt sich ein Gefühl für den Rollstuhl ein, für die Wendig- und Schnelligkeit.

Für den Vereinssport gibt
es spezielle Sportrollstühle

Schon beim Aufwärmen wird das geübt, worauf es später ankommt. „Man muss den Rollstuhl beherrschen, den Ball beherrschen und die Umgebung beherrschen. Das sind drei Sachen auf einmal. Bis man das beherrscht, braucht man mindestens ein Jahr“, erklärt Ishak Yüksekkaya.

Im Kreis passen sich die Spieler den Ball zu. Sie müssen sich merken, an wen sie den Ball abgegeben haben. Pass – dann drehen sich die Spieler um und sprinten zur Wand, drehen erneut, und sprinten in die Kreismitte zurück, um den nächsten Pass entgegenzunehmen. „Das ist zum Nachdenken. Wem gebe ich meinen Pass? Und von wem bekomme ich den Ball?“, sagt Ishak Yüksekkaya. Das Training passt er an die Mitspieler an, „damit auch jeder mitmachen kann“.

Für den Basketballsport hat der Verein Sportrollstühle gesponsert bekommen. Sie liegen tiefer, die Räder sind ausgestellt. Vorne haben sie einen Rammbügel, denn den Spielern ist es erlaubt, sich gegenseitig in den Rollstuhl zu fahren. „Das ist eine Zeit lang sehr anstrengend, weil du dich mit dem Rolli intensiver beschäftigen musst“, erklärt Markus Liedtke, der schon in seiner Schulzeit mit dem Rollstuhlbasketball angefangen hat.

Dass jeder Teilnehmer seine eigene Geschichte hat, wird im Gespräch schnell klar. Markus Liedtke sitzt seit seiner Geburt im Rollstuhl. Eine Kollegin habe ihn auf den Sport gebracht. „Mir hat das einen persönlichen Ansporn gegeben, an die Motivation und das Verlangen nach Sport zu glauben. Seitdem hänge ich an dem Sport und komme nicht mehr davon weg“, erklärt er.

Abraham Roelofsen, Vorsitzender des Handicap-Sport-Wuppertal glaubt, dass das Basketballspielen für viele Teilnehmer Selbstbestätigung ist – und das Selbstwertgefühl stärkt. „Im Grunde ist das eine Form von Rehabilitationssport. Es geht darum, Kraft zu bekommen und Bewegungsfähigkeit in den einzelnen Körperpartien“, so Roelofsen.

Um Bewegungsfähigkeit geht es auch bei den Ligaspielen. „Auf dem Feld dürfen bei Ligaspielen maximal 40,5 Punkte stehen“, erklärt Roelofsen. „Das sind fünf Spieler und jeder Spieler wird klassifiziert.“ Dafür werden sie vom Deutschen Rollstuhl-Sportverband begutachtet und auf ihre Beweglichkeit hin untersucht. Wie weit kann sich ein Spieler zur Seite oder nach vorne neigen?

Ein Fußgänger ist voll beweglich – er geht mit 4,5 Punkten auf das Feld. Je nach Grad der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit stufen sich die Punkte ab. So stehen sich beide Teams auf dem Feld gleich stark gegenüber. Der stärkere Spieler, so erklärt Ishak Yüksekkaya, steht dann meistens hinten am Korb, um die Körbe zu werfen. Der vordere Mann mit den niedrigeren Punkten versucht, den Weg freizufahren.

Es knallt erneut. Ein Spieler ist mit seinem Rollstuhl umgekippt. Gemeinsam richten die Teilnehmer ihn wieder auf. Passiert ist nichts – es kann also weitergehen. Und welches Team hat nun am Ende gewonnen? Vermutlich weiß es niemand so genau – dafür verlässt jeder Spieler mit einem Lächeln im Gesicht die Halle.