Bernhard Sander ist ein Linker erster Stunde mit einschlägigen Protest-Erfahrungen „Ich habe alle Bände der Marx-Engels-Gesamtausgabe gelesen“
Wuppertal · Der Oberbürgermeister-Kandidat der Wuppertaler Linken gilt als Kritiker der Döppersberg-Umgestaltung. Erste politische Erfahrungen hat er früh gesammelt.
Bernhard Sander atmet tief durch. Um Persönliches soll es gehen? „Das ist ziemlich langweilig“, warnt der Oberbürgermeister-Kandidat der Linken und schiebt dann nach: „Ich habe nicht viel zu erzählen.“ Eine Stunde später sollte sich das als Fehleinschätzung herausgestellt haben.
Zumindest kann wohl nicht jeder OB-Kandidat davon berichten, bereits einmal von der Polizei abgeführt und eingesperrt worden zu sein. Der geborene Hagener war in seiner Heimatstadt Teil der Jugendzentrums-Bewegung. Ein Kontrastprogramm zu der streng katholischen Erziehung, die er genossen hatte. Sander war nach eigener Aussage „schon immer politisch“ und noch heute ausdrücklicher Freund von „Realpolitik“.
Damals als Pennäler zeigte sich das dann schon mal darin, dass Sander Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre auf der Straße ein Zeichen setzte. Manchmal ein symbolisches, wie bei den Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg, manchmal ein ganz konkretes: Wie bei einer Demonstration gegen die Erhöhung der Fahrpreise im Hagener ÖPNV, als sich Sander zusammen mit anderen jungen Leuten auf die Schienen der Straßenbahn setzte – bis ihn eben die Polizei „abräumte“. „Ich habe eigentlich alles mitgemacht, was es in dieser Zeit an sozialen Protest- und Erneuerungsbewegungen gegeben hat“, sagt Sander.
Mit 14 begann Bernhard Sander damit, Karl Marx zu lesen. Was ihm auch heute noch „einen großen Erkenntnisgewinn“ bringe. Nicht ohne Stolz sagt der 65-Jährige: „Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die alle 40 Bände der Marx-Engels-Gesamtausgabe gelesen haben.“ Nach wie vor sei ihm das kommunistische Werk ein Leitfaden. Zum Beispiel beim Thema Gewerbeflächen, wo sich Sander nicht so sehr wie die anderen Vertreter im Rat dafür interessiert, wo denn neue Flächen entstehen könnten, sondern eher für die Frage: „Welche Wertschätzung findet hier statt? Gibt es dort gute Arbeit?“
Sanders Weg durch die politische Linke begann als kritischer Gewerkschafter. Er trat 1972 in die SPD ein und im Laufe der Jahre zwei Mal wieder aus, weil ihn „Politik machen“ immer mehr interessierte als Mandatsträger zu wählen. Noch heute findet Sander für Delegierte abzustimmen und Geschäftsordnungen abzuarbeiten „öde“. Die Agenda-Politik 2004 gab der Liebe zur SPD dann den Rest. Heute weisen die Wuppertaler Sozialdemokraten aus seiner Sicht keine Perspektiven mehr auf.
Durch seine Vernetzung im Rahmen seiner Mitarbeit an der Zeitung „Sozialismus“ wurde Sander Gründungsmitglied der Bundespartei „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ (WASG), die sich mit der PDS im Juni 2007 zu „Die Linke“ formierte. So kam es, dass Sander in Wuppertal ein Linker der ersten Stunde wurde. Seit 2009 auch als Verordneter im Stadtrat.
Sander sieht die Welt aber nicht nur durch die Gewerkschafter-Brille. „Ich bin auch Bildungsbürger“, sagt der Diplom-Politologe, der unter anderem bei den Wuppertaler Bühnen und im Von der Heydt-Museum im Hintergrund aktiv ist. „Ich bin der erste in der Familie, der studiert hat“, sagt Sander. Er erinnert sich, dass er sich in der Jugend am Gymnasium viel erarbeiten musste, was den Klassenkameraden - Kindern von Ärzten und Rechtsanwälten - bereits auf den Weg mitgegeben worden war.
Warum will Sander jetzt Oberbürgermeister werden? Für diese Frage holt der Wahl-Wuppertaler wieder seinen trockenen Humor hervor: „Die Partei hatte keinen Besseren.“ Dann wieder im Ernst: „Ich glaube schon, dass ich der Stadt etwas geben kann. Und ich meine, dass wir ein Politik-Angebot machen, das der Stadt eine neue Perspektive geben kann.“ So wolle sich die Linke beispielsweise nicht einfach mit dem Strukturwandel abfinden, Lebensbedingungen verbessern und Wirtschaft gestalten. Das Ziel sei bei der Wahl im September auch kein Achtungserfolg, sondern ein Sieg. Ein Augenzwinkern bleibt an dieser Stelle aus.
Mit einem Oberbürgermeister Bernhard Sander hätte es den Döppersberg in seiner heutigen Form nicht gegeben. „Wir hätten ihn anders umgebaut“, sagt der Linken-Politiker. Ohne „Monster-Kubus mitten auf dem Platz“ und vielleicht sogar mit „Harnröhre“. An diesem markanten Tunnel wollte die Linke damals festhalten. Die Stadt habe die Röhre damals systematisch verkommen lassen, um den Döppersberg-Umbau durchzudrücken.
Das Verhältnis der Linken zur autonomen Szene beschreibt Sander so: „Die autonome Szene ist eben autonom.“ Es gebe Projekte bei denen man zusammen arbeite, er befürwortete aber nicht alle Mittel der Autonomen. „Steine sind keine politischen Argumente.“ Er selber habe auch nie zu Gewalt gegriffen, halte aber nach wie vor gewisse Formen des „zivilen Ungehorsams“ für legitim. Trotzdem setzt er im September auf die Macht der Wahlen, um für Wuppertal Veränderung herbeizuführen.