Wuppertaler Gesundheits-Kolumne Blutvergiftung: Zu spät erkannt, kann sie tödlich sein

Wuppertal · Infektionen können zu einer Sepsis führen und gehören zu den häufigsten Todesursachen.

Bei Sepsis-Verdacht ist schnelle Hilfe gefragt. Betroffene sollten umgehend in ein Krankenhaus gebracht werden.

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Die Sepsis, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt, kann jeden treffen. Sie ist eine der heimtückischsten Krankheiten, an der alleine in Deutschland pro Jahr etwa 320 000 Menschen erkranken, mehr als 75 000 sterben daran. Chronisch Kranke, Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder Patienten, denen die Milz entfernt wurde, sind besonders gefährdet. Auch Ältere über 60 oder Kinder unter einem Jahr zählen zu den Risikogruppen. Obwohl Sepsis mittlerweile die dritthäufigste Todesursache in Deutschland ist, wird sie oft nicht rechtzeitig erkannt. Denn die meisten wissen nicht, was eine Blutvergiftung ist oder welche Frühsymptome darauf hinweisen können. Hier kann Aufklärung Leben retten.

Auslöser einer Blutvergiftung
ist immer eine Infektion

Jeder kennt den Mythos vom dunkelroten Strich, der von der Entzündung bis hin zum Herzen führt – so stellt man sich die Blutvergiftung vor. „Das ist jedoch zum größten Teil ein Irrglaube, der sich im allgemeinen Sprachgebrauch hartnäckig verbreitet hat“, sagt Dr. med. Daniel Jorda, Leiter der Intensivstation am Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal. „Bei einer Blutvergiftung werden die im Blut verbreiteten Bakterien, Viren oder in seltenen Fällen auch Pilze von körpereigenen Abwehrzellen überschwemmt“, erklärt Dr. Jorda. Die Folge ist eine außer Kontrolle geratene Entzündungsreaktion mit multiplem Organversagen, die ohne sofortige intensivmedizinische Behandlung tödlich ist. Ihr Auslöser ist immer eine Infektion.

Dr. med. Daniel Jorda leitet die Intensivstation am Bethesda.

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Die drei häufigsten Ursachen sind schwerwiegende Erkrankungen wie Lungen-, Bauchfell- oder Harnwegsentzündungen. Aber auch eine harmlose Unachtsamkeit im Alltag reicht manchmal für eine Blutvergiftung aus: zum Beispiel ein zunächst harmlos aussehender Kratzer am Finger, ein aufgekratzter Mückenstich, das Stoßen an der Bettkante oder das Schneiden bei der Rasur. „Der berüchtigte rote Strich, der sich schmerzhaft von der Wunde Richtung Herz zieht, deutet auf eine Entzündung der Lymphbahn hin, die zur Sepsis führen kann. Die meisten Patienten mit Sepsis zeigen dieses Symptom jedoch nicht“, stellt der Intensivmediziner richtig.

Erkennen lässt sich eine beginnende Blutvergiftung an drei klassischen Parametern: Atmung, Bewusstsein und Blutdruck. Die Betroffenen sind kurzatmig, atmen schneller als gewöhnlich, fühlen sich abgeschlagen und sind wesensverändert oder desorientiert. Sie haben einen niedrigen Blutdruck, aber einen erhöhten Puls. Der Zustand verschlechtert sich zusehends, ein extremes Krankheitsgefühl unter anderem mit Fieber und Schüttelfrost stellt sich ein.

Sind mindestens zwei dieser Symptome vorhanden, ist Eile geboten. „Mit einer Sepsis ist nicht zu spaßen. Sie ist immer ein Notfall wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall“, sagt Dr. Jorda. „Wichtig ist, dass sofort der Notarzt gerufen wird. Denn mit jeder Stunde, die ohne Behandlung vergeht, sinken die Überlebenschancen rapide.“ Weil die Symptome zu Beginn oft sehr unspezifisch und kaum von einer normalen Grippe zu unterscheiden sind, denken Betroffene und Angehörige oft nicht daran, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung dahintersteckt.

Infizieren wir uns mit Bakterien oder Viren, werden normalerweise die Erreger von unserem Immunsystem lokal an Ort und Stelle bekämpft und ausgeschaltet. Überwinden diese jedoch den körpereigenen Abwehrmechanismus und breiten sich im gesamten Blutkreislauf aus, kann die Abwehrreaktion des Immunsystems so stark sein, dass der Körper sie nicht mehr kontrollieren kann.

Um die Erreger zu bekämpfen, wird eine explosionsartige Entzündungsreaktion, der sogenannte Zytokinsturm, in Gang gesetzt. Der Blutkreislauf wird dann von Zytokinen überschwemmt. Das sind Botenstoffe, die als Immunantwort jetzt massenhaft ausgeschüttet werden und die sich schnell und zahlreich verteilen. Sie fungieren wie ein Räderwerk und treten Prozesse los, die zu einem Herz-Kreislauf-Versagen mit einem plötzlichen Blutdruckabfall oder sogar zum Organversagen führen können. „Der septische Schock ist eine lebensbedrohliche Situation und führt unbehandelt meist zum Tod. Man kann sich das bildlich so vorstellen: Steht ein Haus in Brand und wird er gelöscht, ist es durch das Löschwasser anschließend unbewohnbar“, veranschaulicht Dr. Jorda den sogenannten Zytokinsturm.

Um dem entgegenzuwirken, werden die Patienten auf der Intensivstation behandelt. Am wichtigsten ist es, eine ausreichende Blutzirkulation sicherzustellen und den Blutdruck zu stabilisieren. Mit der Gabe von Breitband-Antibiotika, virus- oder pilzhemmenden Medikamenten und gegebenenfalls einer chirurgischen Sanierung der Entzündungsquelle, versucht man zunächst, die Bakterien, Virenstamm oder Pilze, zu bekämpfen und zu entfernen. Fallen Organe aus, muss deren Funktion etwa durch künstliche Beatmung der Lunge oder durch ständige Filtration des Blutes unterstützt werden.

Doch man kann einer Blutvergiftung auch vorbeugen. Alle Maßnahmen, die vor Infektionen schützen, tragen dazu bei, eine Sepsis zu verhindern. „Ältere und chronisch kranke Menschen sollten sich daher gegen Grippe, Corona oder Pneumokokken impfen lassen“, rät Dr. Jorda. Neben der Impfung ist es aber auch wichtig, bei einer Infektion an eine Blutvergiftung zu denken, ihre Symptome zu kennen und sie als Notfall einzustufen.

(Red)