Bühnen durch mehr Theater retten
Thomas Braus startet am Samstag mit „Der Sturm“ in seine erste Spielzeit als Intendant des Wuppertaler Schauspiels.
Ein Gespräch, wenige Tage vor dem Beginn der neuen Spielzeit im großen (Opern-)Haus. Der Spielstätte, die Thomas Braus bestens vertraut ist. Nun aber ist der langjährige Schauspieler Intendant und steht zugleich bei der Premiere am Samstag als Ariel in Shakespeares „Der Sturm“ auf der Bühne. Energiegeladen, leicht angespannt nach einigen schlaflosen Nächten und zugleich voller Vorfreude darauf, dass es nun endlich losgeht, erzählt der 51-Jährige von seinen Plänen.
Wie fühlt es sich an, das erste Mal im Opernhaus als Intendant und Schauspieler aufzutreten?
Thomas Braus: Die Frage ist relativ schwer zu beantworten. Was auch daran liegt, dass ich mich seit Januar damit beschäftige, mich seither in die Funktion des Intendanten hineinarbeite. Ein langsamer Prozess, über den ich jetzt gar nicht so wahnsinnig nachdenke. Natürlich kommen neue Dinge auf einen zu, die man zum Teil als Schauspieler gar nicht so weiß. Zum Beispiel organisatorische Sachen. Außerdem will ich nach drei Jahren Susanne Abbrederis (Vorgängerin von Braus in der Schauspiel-Intendanz, die Red.) einen großen Einstieg machen. Deswegen spielen wir auch im großen Haus (Oper, Red.). In 14 Tagen haben wir dann die nächste Premiere im kleinen Haus (Theater am Engelsgarten, Red.). Für mich ist ganz wichtig, dass man das Schauspiel auch im großen Haus verortet. Das ist natürlich auch aufregend, die Frage, wie wird das jetzt ankommen.
Welche Anfangsidee verbinden Sie mit Shakespeares Stück „Der Sturm“ bei ihrer anstehenden Aufführung?
Braus: Inhaltlich habe ich mich schon früh für das Stück entschieden, weil es Shakespeare ist und weil es mit einem untergehenden Schiff beginnt, das durch Magie gerettet wird. Mein Grundgedanke ist: Das große Schiff Wuppertaler Bühnen kann man vielleicht doch retten, indem man Theater macht. Die Magie ist bei uns das Theater. Wir müssen Theater machen, um zu zeigen, dass wir da sind, und eine Rechtfertigung zu haben, da zu sein.
Das im Auftrag der Stadt erstellte Actori-Gutachten fordert, dass mehr Theater gemacht werden soll. Wie stehen Sie dazu? Spielt das eine Rolle?
Braus: Ich fühle mich nicht als Diener des Actori-Gutachtens. Für mich war von vornherein klar, dass ich die Intendanz nur mache, weil für mich als Theaterschaffenden das Schauspiel auch auf die große Bühne gehört. Das ist eine Grundvoraussetzung, die ich für mich, unabhängig von dem Gutachten, festgelegt habe. Dass wir mehr spielen, war auch ein Wunsch von mir, dass wir präsenter sind. Natürlich haben wir keinen höheren Etat. Das ist dann so ein bisschen die Gratwanderung.
Das Ensemble ist nicht größer geworden.
Braus: Wir haben zwar eine Person mehr, und ich stehe auch gleichzeitig auf der Bühne und mache die Intendanz. Was natürlich so ein bisschen ein 48-Stunden-Tag ist.
Sind Sie sehr gestresst?
Braus: Da ist schon ein bisschen Adrenalin des Neuen dabei. Das gibt viel Energie. Trotzdem muss ich lernen, im Laufe der Zeit Haus zu halten. Denn das sind ja zwei Berufe gleichzeitig. Ich spiele mehr, als ich vorhatte. Das hat natürlich auch etwas mit der personellen Situation zu tun. Das Ziel müsste sein, dass das Wuppertaler Schauspiel erhalten bleibt und wir ein größeres Ensemble kriegen. Aber das ist Zukunftsmusik.
Was macht mehr Spaß: Auf der Bühne zu stehen oder die Verantwortung dafür zu tragen?
Braus: Das macht beides Spaß. Da kann ich keine Bewertung reinlegen.
Es besteht schon ein großer Platz-Unterschied zwischen großem und kleinem Haus.
Braus: Nicht so sehr. Das Opernhaus ist so konstruiert, dass man im Schauspiel den ersten und zweiten Rang nicht nehmen kann. Sonst würden die Zuschauer hinter die Kulisse gucken. Macht 354 Plätze zu 152 im kleinen Haus.
Thomas Braus über seine Intendanz im Vergleich zur Arbeit seiner Vorgänger)
Was macht der Kartenvorverkauf für Samstag?
Braus: Er läuft gut, die Premiere ist ausverkauft.
Sie haben gesagt, dass Sie das Schauspiel für die freie Szene öffnen und enger mit Schulen zusammenarbeiten wollen. Was heißt das genau?
Braus: Ich bin der freien Szene gegenüber offen, das ist ganz klar, aber hier ist alles so eng getaktet, dass das Zukunftsmusik ist. Ich schaue natürlich schon, was die anderen machen. Es ist wichtig, dass wir unterschiedliche Dinge machen. Ich finde die freie Szene ganz wichtig und da ist Wuppertal extrem gut aufgestellt. Man muss im Dialog sein, aber jeder hat sein eigenes Publikum. Bei der Zusammenarbeit mit den Schulen sind wir sehr hinterher. Das Schauspiel hat jetzt eine eigene Theaterpädagogin. Wir bieten Workshops an, Patenklassen. Das fängt jetzt alles an. Wir haben drei Theaterclubs im Haus.
Gibt es im aktuellen Spielplan Stücke, die Sie hervorheben wollen?
Braus:Nein, alle Stücke sind wichtig, jedes hat seinen Grund, warum es da ist. Dazu gehören auch Stücke, die vielleicht nicht ganz so gängig sind, so dass sich die Leute vielleicht fragen, was das soll. Das ist mir ganz wichtig: Wir wollen den offenen Dialog mit den Zuschauern über das führen, was wir machen. Das Theater soll ein Prozess zwischen Bühne und Zuschauern sein. Erwähnen sollten wir auch die zweite Premiere im kleinen Haus, wo wir Thomas Melles „Bilder von uns“ zeigen. Worüber wir sehr froh sind. Ich schätze Melle als Schriftsteller extrem. Er stand für mich genauso fest wie „Der Sturm“.
Was wollen sie von der Arbeit Ihrer Vorgänger fortführen, was wollen Sie anders machen?
Braus: Grundsätzlich versuche ich jetzt erst mal, meinen Weg zu finden. Ich denke nicht darüber nach, etwas anders zu machen als andere, sondern will es auf meine Weise machen.
Empfinden Sie es als Belastung, dass die finanzielle Situation keine großen Sprünge erlaubt?
Braus: Da ich mich vorher nicht damit beschäftigt habe, bin ich erst mal von den gegebenen Verhältnissen ausgegangen. Aber es gibt dann schon die Situation, dass ich in anderen Inszenierungen, zum Beispiel in Dortmund bei der „Borderline-Prozession“, mich immer wieder frage, ‚was kostet das?’ Ich habe zwar mit Zahlen keine Probleme, ich bin ein Mathefreak. Aber wie so ein kleiner Junge denkt man dann: ‚Das will ich auch mal haben, aber das kann ich mir nicht leisten.’
Sie sind gebürtiger Freiburger, kamen 2002 als Schauspieler nach Wuppertal. Wie war das?
Ich habe in Österreich an der Schauspielschule studiert, hatte meine ersten Engagements in Karlsruhe, Heilbronn und Mannheim. Und dann hat mich der Intendant gefragt, ob ich in Wuppertal ein Engagement haben will. Ich wusste damals nur, dass es eine Schwebebahn gibt und dass da Pina Bausch ist. Ich habe am Telefon zugesagt, ohne die Stadt gesehen zu haben. Und habe den absoluten Schock bekommen, als ich das Schauspielhaus sah. Ich liebe dieses Haus sehr, mit seiner Architektur und seiner einzigartigen Bühne. Aber ich war erschrocken, weil es so verkommen ist.
Sie sind auf zwei Jahre gewählt. Denken Sie schon weiter?
Braus: Ich denke schon manchmal darüber nach, und irgendwann werde ich auch von der Stadt erfahren, wie es weitergeht. Ich lasse das jetzt erst mal auf mich zukommen.