„Deutschland kann von Wuppertal lernen“
Bei seiner Platzrede in Oberbarmen rief Werner Kleine die Bürger dazu auf, zusammenzuhalten. Auch auf die Wahl ging der Pastoralreferent der Citykirche ein.
Oberbarmen. Während auf dem Berliner Platz in Oberbarmen am Mittwochmittag die Verkäufer ihre Waren anpriesen und die Kunden mit zum Teil prall gefüllten Einkaufstaschen unterwegs waren, wurde plötzlich um Punkt 12 Uhr eine Glocke kräftig geläutet.
„Hört ihr Leute lasst euch sagen, es hat jetzt 12 Uhr geschlagen. Fünf vor 12 ist‘s in unserer Stadt, im Land dagegen ist es spät geworden“, ertönte die nicht zu überhörende Stimme des Pastoralreferenten der Katholischen Citykirche, Werner Kleine, der hier zu seiner fünften „Platzrede“ eingeladen hatte. „Katholisch, politisch, lokal“ verkündete das Plakat, neben dem Kleine stand. Mit Blick auf die Bergpredigt oder die Pfingstrede des Petrus nimmt die Katholische Citykirche Wuppertal hier eine biblische Tradition auf, die eine enge Verbindung der Verkündigung der frohen Botschaft mit dem aktuellen Alltag der Zuhörerinnen und Zuhörer erkennen lässt.
Eindringlich erinnert Kleine daran, dass Deutschland als das Land der Dichter und Denker bezeichnet würde: „Jetzt scheine einige von ihnen aber nicht mehr ganz dicht im Kopf zu sein. Ihr Volk von Wuppertal habt denen elf Prozent gegeben, die im Herzen brauner sind, als es scheint. Jeder Zehnte war‘s“, wetterte Kleine und sprach „einige Worte aus des Herren Mund“. Jetzt sollte jeder einmal überlegen, ob er Halleluja singen oder wie Herr Gauland das Halali blasen wolle. Mit Blick auf die Regionalbahn, die gerade 35 Minuten Verspätung hatte, oder auch die Schwebebahn, die während seiner Platzrede hinter ihm stillstand, machte Kleine deutlich, dass die Fahrpläne weit von Zucht und Ordnung entfernt seien: „Da könnten sich die Gaulands doch engagieren. Dann wären sie beschäftigt.“
Er beschwor die Wuppertaler, zusammenzuhalten, sich ihrer Wurzeln zu besinnen: „Hier küsst das Rheinland die Westfalen. Wuppertal — Deutschland kann von dir lernen.“ Immer wieder lässt Kleine die Glocke erklingen, einige Marktbesucher bleiben nur kurz stehen, einige stellen ihre Taschen ab und bleiben bis zum Ende der rund 20 Minuten dauernden Predigt.
„Ich finde das gut hier. Er hat richtig locker gesprochen. Schade, dass heute nicht noch mehr Leute zugehört haben“, befand Andrea Simoleit. Auch Jeannette Remberg-Trump fand die Predigt grundsätzlich toll: „Ich glaube aber, dass viel von der Satire, der Ironie seiner Rede nicht verstanden wurde. Ich höre ihn sehr gerne, aber er spricht eben sehr intellektuell.“
Kleine selbst ist allerdings überzeugt, dass seine Zuhörer ihn verstehen: „Man darf die Leute doch nicht unterfordern. Sie denken schon selbst nach und machen sich einen Reim auf die Geschichte.“ Seine Devise heißt, dahin gehen, wo man normalerweise nicht ist. Und dafür eigne sich der Berliner Platz hervorragend.
„Die Wahl war für meine Rede heute natürlich eine Steilvorlage. Es war das taktische Geplänkel Vieler, das zu diesem Ergebnis geführt hat“, ist der Theologe überzeugt. In der Osterzeit sei ihm die Idee gekommen, sich mal auf den Berliner Platz zu stellen und zu reden. Als die Leute stehenblieben, war er sich sicher, dass man die Reihe — zumindest in den Sommermonaten — etablieren sollte.
Dass es bei seinen Platzreden fast schon Kult ist, sie mit einem Seewetterbericht enden zu lassen — am Mittwoch kündigte er zum Schluss ein Sturmtief für die nächsten Jahre in Berlin an — erklärt er so: „Das geht auf eines der Bücher von Fred Vargas zurück. Da ist der Protagonist ein Ausrufer, der immer den Seewetterbericht vorliest. Das fand ich einfach gut“, sagt Werner Kleine und lacht.