Interview CDU-Spitze: „Für die Grünen müssen wir mehr Zeit mitbringen“

Wuppertal. · Interview Die WZ sprach mit den Vorsitzenden der neuen Ratsfraktion, Ludger Kineke und Hans-Jörg Herhausen, über Hinterzimmerpolitik und Fraktionszwang.

Ludger Kineke (Mitte) und Hans-Jörg Herhausen (r.) im Gespräch mit Daniel Neukirchen.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Herr Herhausen, Herr Kineke, Doppelspitze scheint in Wuppertal im Trend zu liegen. Wie kommt das?

Hans-Jörg Herhausen: Es ist ganz klar, wo die Vorteile liegen. Wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten und haben teilweise unterschiedliche Themenschwerpunkte. So ergänzen wir uns. Und es hat auch ganz praktische Gründe: Die Termine, die man als Vorsitzender wahrnehmen darf, sind schon nicht wenige.

Unterschiedliche Persönlichkeiten klingt ja spannend. Können Sie sich da einmal selbst charakterisieren?

Ludger Kineke: Ich bin sicher der Sachlichere von uns beiden. Das muss ich ja schon allein wegen meines Berufs als Steuerberater und Rechtsanwalt gezwungenermaßen sein. Ich bin bei uns dann eher der Part, der sich die Schriftstücke anguckt. 

Ich bin eher ein emotionaler Mensch. Das Zusammenführen verschiedener Persönlichkeiten in der Fraktion, das ist so das, was ich ganz gut kann.

Hat eine Doppelspitze denn nur Vorteile?

Kineke: Man darf nicht verhehlen, dass es auch anspruchsvoll ist. Zwei gleichberechtigte Fraktionsvorsitzende sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen. Dafür sind ständige Abstimmungsprozesse nötig. Und die kosten eben Zeit und Mühe.

Sie sagten eben, Sie wollen die Menschen in der Fraktion zusammenführen. Gibt es in der CDU im Rat eigentlich so etwas wie Fraktionszwang?

Herhausen: Das klingt mir zu hierarchisch. Es liegt im Wesen der Menschen, dass man sich nicht bei allem einig werden kann. Wir haben etwa bei den Themen Seilbahn oder Forensik auf der Kleinen Höhe aktive Mitglieder in der Fraktion, die dafür und dagegen sind. Das kommt aber immer aufs Thema an. Wenn jemand etwas nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, dann ist das eben so.

Auch wenn der Begriff Fraktionszwang einigen nicht so gefällt: Grundsätzlich sollte es natürlich schon so sein, dass wenn die Fraktion sich für etwas entscheidet, alle mitmachen. Intern wird erstmal diskutiert und nach außen vertritt man eine Meinung. Wir müssen diese demokratischen Prozesse innerhalb der Fraktion zu Ende bringen, um überhaupt gestalten zu können.

Noch schwerer wird es ja mit dem Konsens, wenn noch andere Fraktionen mit im Boot sind. Die große Kooperation mit der SPD im Rat ist beendet und das Kernbündnis mit den Grünen ist da. Funktioniert so etwas reibungslos?

Herhausen: Man muss sich treffen und über die Themen austauschen. Da gibt es dann sicher auch immer wieder Dinge, die man unterschiedlich sieht, aber das war mit der SPD ja auch nicht anders.

Die Grünen sind nicht die SPD. Die diskutieren viel mehr. Da müssen wir mehr Zeit mitbringen. Was mir persönlich Recht ist. Mit den Grünen kann man Themen offen bereden, da geht nicht jeder mit einer vorgefassten Meinung rein. Aber es ist natürlich auch ein Prozess der Annäherung. Wir hatten jetzt im Umweltausschuss das Thema Baumschutzsatzung. Das haben wir geschoben, weil wir noch Beratungsbedarf haben.

Ist es wirklich so, dass nun mehr im Rat diskutiert wird und es keine „Hinterzimmerpolitik“ mehr gibt?

Kineke: Es ist ganz gut, vorher mit den anderen Fraktionen zu sprechen. Auch damit sich die Akteure mit der Thematik vertraut machen können. Wenn wir einfach so in Ausschüsse gehen, treffen wir bei den anderen Fraktionen ja vielleicht auch auf Vertreter, die gar nicht unbedingt wissen, wie die Fraktion über ein Thema denkt. Im Ausschuss selbst gibt es dann sicherlich noch Details, über die geredet werden kann.

Also: Ohne Hinterzimmer geht es gar nicht.

Herhausen: Das, was wir da machen, ist ja gar keine „Hinterzimmer-Politik“. Inhalte müssen ja auch einfach besprochen werden. Stellen Sie sich mal die Reaktion der Bürger vor, wenn man einfach mal gar nichts abklopfen würde. Dann sitzen wir im Ausschuss und stellen Argumente gegenüber. Manchmal ist so etwas ein Findungsprozess. Man nimmt vielleicht ein Argument auf, tritt einen Schritt zurück und denkt darüber nach.

Es ist ein schmaler Grad zwischen Hinterzimmer-Politik und Transparenz. Es darf auch nicht ein großer Teil des politischen Geschäfts hinter geschlossenen Türen stattfinden.

Was sind denn für die neue Fraktionsspitze die großen Themen?

Herhausen: Haushalt, Gewerbeflächen, Wohnbauflächen, Klimaschutz.

Mobilitätswende. Wie schaffen wir es, wirksam den Fahrradverkehr zu fördern? Mit den 100 000 Euro, die wir dafür jährlich im Haushalt vorgesehen haben, lässt sich allerdings fast nichts machen. Das ist ein großes Problem.

Tja. Wo haben Lokalpolitiker in Wuppertal bei dieser Finanzlage überhaupt noch Handlungsspielraum?

Kineke: Ein Beispiel ist eine noch stärkere Vernetzung zwischen Uni, Stadt und Wirtschaft. Wir brauchen nämlich eine starke und vitale Wirtschaft wegen der Gewerbesteuereinnahmen. Und wir brauchen die Einkommenssteuereinnahmen. Deswegen müssen wir uns überlegen: Wie bekommen wir die Leute in die Stadt?

Welche Funktion hat jetzt eigentlich der ehemalige Fraktionschef Michael Müller innerhalb der CDU?

Herhausen: Der ist weiterhin Stadtverordneter und Ausschussvorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. Und da arbeitet er ganz konstruktiv mit.

Von unserer Seite aus gibt es da keine Probleme. Wir haben keinerlei Berührungsängste.