Experiment Chefs von Wuppertal Institut und Oper: So lief der Job-Tausch
Wuppertal · Drei Wochen lang stellten sich Opernintendant Berthold Schneider und Wuppertal Instituts-Chef Uwe Schneidewind neuen Herausforderungen.
Drei Wochen lang hatten sie ihre Posten getauscht und erlebten dabei Herausforderungen und Inspirierendes. Die Erfahrungen von Opernintendant Berthold Schneider und Uwe Schneidewind, Chef des Wuppertal Instituts, sollen auch ganz konkrete Folgen haben.
Nach der Teilnahme an einem Wissenschaftler-Treffen stellte Berthold Schneider fest: „Das war wahnsinnig schwer zu verstehen.“ Er habe mit vielen Menschen zu tun gehabt, die „total im Stoff“ waren, dazu habe er wenig beitragen können. Diese Situation sei schon eine „Grundverunsicherung“.
Als er eine Veranstaltung mit den Freunden und Förderern des Wuppertal Instituts leiten und einen Rückblick auf das vergangene Jahr halten sollte, „da habe ich mich gefragt, ob ich da nicht Theater spiele.“ Doch sei ihm bewusst geworden, dass er den Teilnehmern der Veranstaltung diesen Vortrag schulde: „Das war mein erster wissenschaftlicher Vortrag.“
„Ich hätte nicht gedacht, wie herausfordernd das ist“
Uwe Schneidewind spürte eine ähnliche Verunsicherung. Er hat erlebt, dass ein Opernintendant jeden Tag viele Entscheidungen treffen muss. „Mir ist schnell klar geworden, dass, wenn man mir jedes Mal alles erklärt, der Betrieb komplett zum Stehen kommen würde.“ Daher sei es richtig gewesen, dass das Team des Intendanten aus Chefdramaturg, Chefdisponent und persönlicher Assistentin diesmal viel selbst entschieden hat.
An seinem eigenen Arbeitsplatz werde er „auf Händen getragen“, in der Oper sei er oft keine Hilfe gewesen, vielleicht sogar Belastung. „Man wird sich bewusst, in was für einer Blase man sonst lebt“, sagt er. „Ich hätte nicht gedacht, wie herausfordernd das ist.“
Neu für ihn waren die vielen Menschen, die nicht auf der Bühne stehen, aber wichtige Funktionen haben wie Dramaturgen oder Korrepetitoren. „Rollen dazwischen“, nennt er ihre Funktion. „Bei uns gibt es nur Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler“. Sie könnten aber Dramaturgen gut gebrauchen, wenn sie mit den „Reallaboren“ in der Stadt arbeiten, dort Wissenschaft und praktisches Engagement verbinden, zum Beispiel am Arrenberg oder mit der Utopiastadt.
Fasziniert hat ihn „die Präsenz der Akteure“ in der Oper. „Man merkt, die sind geeicht, etwas auf den Punkt zu organisieren.“ Da überlege er, wie sich etwas davon in die Arbeit am Wuppertal Institut integrieren lasse. Auf der anderen Seite habe er mit seinem Blick von außen auch Gespräche über Organisation oder die strategische Ansprache von Zielgruppen anstoßen können. „Da ist sonst selten Raum, darüber zu reflektieren“, ist ihm klar.
Auch Berthold Schneider ist aufgefallen: „Im Wuppertal Institut wird auf hohem intellektuellen Niveau diskutiert. Aber es gibt wenig personelle Dynamik. Das ist total anders als bei uns.“ Überrascht hat ihn, wie selbstständig die Institutsmitarbeiter an ihren Projekten arbeiten. „Das hatte ich mir universitärer vorgestellt.“
Inhaltlich hätten die Gespräche mit den Mitarbeitern Folgen gehabt: „Meine Horizonte weiten sich wahnsinnig“, sagt Berthold Schneider. „Die Begeisterung für Umweltthemen, das persönliche Engagement, das hat abgefärbt.“ Unter anderem hat er mit initiiert, dass die Schüler der „Fridays-for-Future“-Demo nach dem Protestzug zu einer Diskussion ins Wuppertal Institut eingeladen wurden.
Der Austausch zwischen beiden Institutionen soll weitergehen. Zum Beispiel beim Projekt „Sound of the City“ der Oper, bei der diese einen intensiveren Austausch mit der Stadtgesellschaft sucht. Im Jahr 2020 soll – auch mit Bezug zu Friedrich Engels – das Thema Arbeit auf dem Programm stehen. Daran will sich das Wuppertal Institut beteiligen. „Da gibt es viele Fragen“, erläutert Schneidewind. „Wie wirkt sich die Digitalisierung aus, wird sich Arbeit weiter verdichten?“ Sie hätten begonnen, sich damit zu beschäftigen, wie sich das Wuppertal Institut dabei beteiligen könne.
Das Schauspiel will mit seiner Auftrittsreihe „Schnappschuss“, bei der die Schauspieler an ungewöhnlichen Orten auftauchen, dem Wuppertal Institut einen Besuch abstatten. Und wenn das Sinfonieorchester am Weltumwelttag 2020 die „Pastorale“ von Beethoven aufführt, will das Wuppertal Institut zu Diskussionen anregen, einerseits über Umweltbewegungen, andererseits über einen nachhaltigen Orchesterbetrieb, bei dem nicht jeweils die Stars per Flugzeug anreisen.
Uwe Schneidewind fühlt sich bestärkt darin, den Begriff „Zukunftskunst“ zu verwenden. „Da steckt Musik drin“, sagt er. „Es geht darum, Dinge in Schwingung zu bringen.“ Zu oft verstünden wir Dinge vom Kopf her, setzten sie aber nicht um. „Da können wir viel von der Oper lernen.“