Kunst Christiane Löhr - Pusteblumen im Skulpturenpark

Christiane Löhr füllt die hohe Halle im Waldfrieden-Park mit Baukunst aus Samen und Blüten. Eine formale Meisterleistung.

Foto: Anna Schwartz/Löhr

Christiane Löhr präsentiert die radikalste Schau im Skulpturenpark Waldfrieden, die es je gab: Es sind lauter fragile Objekte aus Kletten, Efeu- und Distelsamen, Halmen, Gräsern oder Tierhaaren, die so sensibel sind, dass man sie nicht berühren mag. Dabei geht es ihr nicht um eine neue Lieblichkeit, sondern um klare Grundstrukturen in den organischen Elementen, die sie zu Säulen, Türmen oder Kuppeln fügt. Sie scheinen von Ingenieuren geschaffen, nur ohne Zapfen, ohne Eisenskelett, ohne Tragwerk. Sie haben keine Funktion und entstehen einfach beim Trocknungsprozess.

Christiane Löhr, Künstlerin

Seit 1993 sucht sie in der Natur ihre Materialien. Anfangs benutzte sie das Tierhaar aus dem Schweif ihres eigenen Pferdes, mit dem sie durch die Gegend ritt, und knüpfte daraus ihre skulpturalen Formen. Die Kletten fand sie in der Mähne. Nun holt sie diese frühesten Arbeiten in die Ausstellung, um zu beweisen, dass sich an ihrer Kunst nichts geändert hat. Sie erinnert sich: „Ich ritt auf meinem Pferd, als ich einen Klettenbusch vor mir sah. Ich wollte die Kletten haben, konnte sie aber nicht mitnehmen, denn da wären sie verklumpt. So stand ich stundenlang, neben mir das Pferd, pflückte die Kletten und setzte sie Ring auf Ring, bis sie zu einer Röhre wurden.“

Sie lebt ihre Kunst. Sie lässt sich weder von intellektuellen Ideen noch vom biologischen Fachwissen leiten. „Mich interessiert, was ich sehe, weil es in immaterielle Bereiche führt. Ich halte einfach die Augen auf“, sagt sie. Die Magie in den Dingen ist daher auch nicht romantisch verklärt oder surreal überhöht, das Organische ist vielmehr ein selbstverständliches Element einer strengen, minimalistischen Gestaltung.

Sie spricht gern von einer „Formforschung“, interessiert sich für die Biegung eines Halmes, für die Stacheln der Kletten. Sie fügt die Einzelteile zu einer Parklandschaft, einem Tempel oder einem Fünfeck, dem sie etwa in der Mitte ein weiteres Fünfeck einschreibt.

Sie studierte bei Jannis Kounellis in Düsseldorf, der 1967 nicht nur mit dem Pferdehaar arbeitete, sondern die Pferde selbst zur Schau stellte. Seine Schülerin arbeitet jedoch anders. Ihr Werk ist meditativer, ihre Konstruktion leichter, ihr Blütensamen elastischer. Hierbei spielt sie mit der Dichtigkeit oder Durchsichtigkeit der Teilchen.

Die Plastikerin Christiane Löhr entnimmt ihr Arbeitsmaterial der Natur: Wie hier eine Samenwolke. Bild: Löhr

Sie bereitet zwar ihre Objekte in Konstruktionsskizzen vor, aber die Linien sind mit der Hand und nicht mit dem Lineal gezogen. Das jeweilige Werk aus den biologischen Teilchen entsteht beim Ausprobieren, Setzen und Zusammenrücken. Das Ergebnis ist eine Kunst parallel zur Natur, wie es auf der Museumsinsel Hombroich heißt, wo sie anfangs in der Cafeteria arbeitete und die gleitenden Prozesse zwischen natürlichen und rationalen Prozessen miterlebte.

Auf die große Dimension verzichtet sie. Nichts als Kleinformatiges in zartem Grün, dunklem Violett oder Braun. Rispen stützen einander. Organische Rohstoffe wirken wie Kuppeln, aber sind solche Minis, dass der Betrachter sich bücken muss oder mit der Nase gegen die Wand zu laufen droht, weil die Künstlerin stets am Rande der Wahrnehmung operiert und den Grenzbereich des Visuellen auslotet. In der Halle mit den hohen Decken, mit Lichtschlitzen und Sheddächern behaupten sich diese Arbeiten mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit.

Tony Cragg, der Schöpfer des Skulpturenparks Waldfrieden, gehörte 1998 zu Löhrs Prüfern in der Kunstakademie, doch richtig entdeckt hat er sie erst im März 2017 in der Turiner Galerie Tucci Russo, wo er seit Jahrzehnten ausstellt. Wie zufällig fiel sein Blick auf die feingliedrigen und zerbrechlichen, doch gleichzeitig klar konstruierten Arbeiten. Er fragte nach dieser Künstlerin, rief sie an und lud sie ein. Es war für ihn wie für sie spannend, zu sehen, wie sich ihr Werk im Park behauptet.

Christiane Löhr hat sich sehr sensibel auf die realen Bäume, die Licht- und Schattenseiten eingelassen. An der Stirnwand hängen „Samenwolke“ und „Samenbeutel“, die sie kurzfristig für die Schau hergestellt hat. Sie steckte den leichten Distelsamen vorsichtig in das jeweilige Haarnetz, das sie mit feinen dünnen Nadeln an der Wand befestigte, nachdem sie das jeweilige Nadelöhr abgeknipst hatte. Beim Einfüllen des Materials entwickelte sich die Form, indem sich der Samen nach unten verdichtete. Da das Licht des Außenraums von oben auf das duftige Gebilde fällt und von den Samenteilen reflektiert wird, entsteht ein Lichtkreis wie eine Mandorla.

Für ein „Klettenvlies“ verquickt sie den Samen des Ackerkrauts Odermennige mit Katzenhaar, das eine Freundin aus ihrem Haustier kämmt und ihr regelmäßig schenkt. Der stachelige Samen ändert seine Farbe, je dichter die Partikel sind.