Corona-Spätfolgen bei Wuppertalern „Am meisten erwarten wir Müdigkeit“
Wuppertal · Dr. Sven Stieglitz über die Corona-Langzeitfolgen wie Störungen beim Geruchs- und Geschmackssinn.
Mehr als 1100 Wuppertaler waren bisher mit dem Coronavirus infiziert, 86 sind an oder mit dem Virus gestorben, 964 gelten als genesen. Ein kleiner Teil dieser „Genesenen“ leidet aber auch nach Überwinden der akuten Infektion weiter. Davon berichtet unter anderem Dr. Sven Stieglitz, Chefarzt der Pneumologie und der Intensivmedizin am Petruskrankenhaus.
Rund 100 Patienten mit Covid-19 wurden seit Beginn der Pandemie im Petruskrankenhaus behandelt. Ein kleiner Teil davon kommt noch immer in die pneumologische Sprechstunde, wo sich auch einige Patienten melden, die nicht im Krankenhaus waren. „Etwa ein bis fünf Prozent der Infizierten“, so schätzt Dr. Sven Stieglitz, hätten länger anhaltende Krankheitssymptome, seien mehrere Wochen krankgeschrieben.
Eine typische Spätfolge sei zum Beispiel Luftnot schon bei mäßiger Belastung. Häufig zeigten sich auch im CT Veränderungen in der Lunge. „Bei manchen Patienten bilden sich diese Veränderungen nicht vollständig zurück, obwohl die Akuterkrankung bereits überstanden ist“, erklärt der Mediziner. Die Veränderungen in der Lunge seien auch bei Menschen zu finden, die überhaupt keine Symptome während der akuten Infektion hatten. Zudem erlitten manche Patienten auch Lungenschäden durch die maschinelle Beatmung.
Häufig treten Störungen
beim Geruchssinn auf
Aber es gebe auch Menschen, die – ohne es zu wissen – bereits eine Lungenerkrankung hatten, bevor sie an Covid-19 erkrankten. Das gelte auch für Husten, unter dem Patienten noch länger leiden können. Auch der könne seine Ursache in einer Erkrankung haben, die sich erst durch die Virusinfektion zeigt.
Prof. Kurt Rasche, Direktor der Klinik für Pneumologie am Helios-Klinikum erklärt: „Wie bei jeder Atemwegerkrankung kann auch ein durch SARS-CoV-2 ausgelöster Atemwegsinfekt Asthma oder Narben in der Lunge bewirken.“ Dr. Stieglitz sagt, sie hofften, die Lungenschäden durch Covid-19 mit Cortison behandeln zu können oder durch neue Medikamente, die gegen die Vernarbung bei einer Lungenfibrose helfen.
Geschmacks- und Geruchsstörungen treten häufig akut im Rahmen der Covid-19-Erkrankung auf. „Sie können aber auch noch nach Monaten vorhanden sein“, so Sven Stieglitz. Und wenn der Geruchssinn zurückkommt, könne es dazu kommen, dass gut oder neutral riechende Dinge als übelriechend wahrgenommen werden. „Das kennen wir auch von anderen Virusinfekten“, erklärt der Mediziner. Es bilde sich aber häufig vollständig zurück.
„Am meisten erwarten wir Müdigkeit“, sagt Sven Stieglitz. Der niedergelassene Internist Bernd Köneke berichtet, dass zwei seiner rund zehn Covid-19-Patienten längere Zeit unter fehlender Leistungsfähigkeit und Schlappheitsgefühlen litten.
Stieglitz erklärt, dass anhaltende Müdigkeit, auch „Fatigue“ genannt, ebenfalls von anderen Virus-Infektionen bekannt sei, etwa nach Pfeifferschem Drüsenfieber. Und nach den Erfahrungen mit der Sars-Infektion vor zehn Jahren könnten sie abschätzen, dass das ein hartnäckiges Problem sein kann. Sars-Patienten hätten noch nach mehr als drei Jahren Fatigue-Symptome gehabt.
Gegen diese Müdigkeit gebe es keine Medikamente. Am besten helfe, aktiv zu werden. Wenn man die Müdigkeit überwinde und sich bewege, fühle man sich besser, dann könne man die Aktivität langsam steigern.
Insgesamt sei das Ausmaß der Langzeitfolgen von Covid-19 noch nicht absehbar, betonen die Mediziner. Am Helios-Klinikum wird unter der Leitung von Prof. Petra Thürmann, Zentrum für Klinische Forschung, in Verbindung mit einer Studie ein Nachsorge-Angebot für Covid-19-Patienten entwickelt. Für die Umsetzung müssten allerdings noch einige medizinische, ethische und rechtliche Fragen geklärt werden, heißt es aus der Klinik.