Offen gesagt Das Bergische Städtedreieck im Abstiegskampf
Wuppertal · WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen stellt fest: Auf nahezu allen Themenfeldern schneidet die Region schlecht oder gar deutlich schlechter ab als die Nachbarschaft. Alarmierend.
Die Zeichen sind alarmierend. Was Stefan Vogelskamp dem Bergischen Rat jetzt präsentierte, gibt zu größter Sorge Anlass. Der Geschäftsführer der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (BSW) hatte untersuchen lassen, auf welchem Weg sich Wuppertal, Solingen und Remscheid befinden. Und jetzt ist klar: Der Weg führt schnurstracks in die Sackgasse. Auf nahezu allen Themenfeldern schneidet die Region schlecht oder gar deutlich schlechter ab als die Nachbarschaft. Egal ob es um Arbeitslosenquote, Wirtschaftsleistung, Bildungsniveau oder auch Kindergartenplätze geht, das Städtedreieck ziert letzte Plätze. Allein die Erreichbarkeit, also die Verkehrsinfrastruktur wird gemeinhin als gut bezeichnet. Aber das hilft nicht, wenn niemand mehr herkommen will. Vor allem, was den Sozialindex angeht, also die Bewertung der allgemeinen Rahmenbedingungen, schneiden Remscheid, Solingen und Wuppertal sehr schlecht ab, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Das vermeintliche Oberzentrum ist das Schlusslicht, was angesichts der Bevölkerungsstruktur mit etwa 50 000 Menschen im Bürgergeld-Bezug nicht weiter verwundern kann. Ursachen dafür sind vermutlich nicht nur eine weitestgehend fehlende Wirtschaftsförderungspolitik. Hinzu kommt das reichlich rigide Flächenmanagement der Stadt, das Gewerbeansiedlungen ebenso wenig vorsieht wie Wohnungs- und Eigenheimbau. Diese Fehlentwicklung ist nicht neu. Sie hat vor mehr als fünf Jahren begonnen, aber sie hält in der Gegenwart an. Die Folgen davon werden nun messbar.
Aber das ist bei weitem nicht der einzige Malus. Den Untersuchungen der BSW zufolge ist das Bildungsniveau im Bergischen Städtedreieck unterdurchschnittlich. Die Akademiker-Quote ist im Vergleich zu gering, der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen ist das auch, was nicht zuletzt auf die fehlende Kinderbetreuung zurückzuführen ist.
In so einem Umfeld tun Unternehmen sich offenbar schwer, in ihre Zukunft zu investieren. Und wenn sie es dennoch wagen wollen, warten sie in Wuppertal jahrelang beispielsweise auf Baugenehmigungen. Es spricht Bände, dass ein Investor zuletzt erleichtert verkünden konnte, dass er nun mit dem Bau von 26 Wohnungen beginnen kann - fast zwei Jahre nach Antragstellung.
Diese beklagenswerte Situation trifft obendrein auf eine kommunalpolitische Landschaft, die öder kaum sein könnte. Wenn der Fraktionsvorsitzende einer großen christdemokratischen und ehedem wirtschaftsfreundlichen Partei im Bergischen Rat ausgerechnet den Überbringer der schlechten Nachrichten am Ende des Vortrags nach Lösungen fragt, sagt das ernüchternd viel über die Qualität von Politik aus.
Schließlich sind es die Räte in den betroffenen Städten, die aus den stetig schlechter werdenden Untersuchungsergebnissen Konsequenzen ziehen müssen. Die Zahlen besagen außerdem, dass die Städte nur noch im Gleichschritt eine Chance haben, das Ruder herumzureißen. Doch auch davon sind die Damen und Herren Mandatsträger bisher noch weit entfernt.
Dabei ist wirklich nicht alles schlecht, und der Zug ist natürlich auch längst noch nicht abgefahren. Aber es wird Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen. Sonst steht das Bergische Land in nicht allzu ferner Zukunft an einem gähnend leeren Bahnsteig.
So weit muss es nicht kommen. Es gibt in Remscheid, Solingen und Wuppertal genügend Köpfe, die denken und genügend Hände, die arbeiten können. Aber alle Qualität und alle Kraft reichen nicht, wenn es keine Idee, keinen Plan und gar nichts gibt, was umsetzbar wäre.
Das Bergische Land steckt mitten im Abstiegskampf. Mit jedem Tag werden die Chancen auf den Klassenerhalt geringer. Entweder wechseln die Trainer nun sehr bald die Taktik, oder die Bürgerinnen und Bürger wechseln im Herbst 2025, wenn wieder gewählt wird, hoffentlich die Trainer.