Krankenhaus Das Brustzentrum Wuppertal: Netzwerken für die beste Therapie
Wuppertal · Im Interview mit Prof. Dr. med. Jürgen Hucke erläutert der Mediziner die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Reihenfolge der Behandlungsschritte. Darin erläutert er auch den Fortschritt in der Brustkrebsforschung.
Anlässlich des „Pinktober“, des Monats Oktober, in dem über Brustkrebs infomiert werden soll, hat die WZ Prof. Dr. med. Jürgen Hucke, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Agaplesion Bethesda Krankenhaus, zum Wuppertaler Brustkrebszentrum befragt.
Was macht das Brustzentrum Wuppertal so besonders?
Prof. Dr. med Jürgen Hucke: In unseren Tumorkonferenzen wird jeder Erkrankungsverlauf mit allen beteiligten Spezialisten individuell und ausführlich besprochen und dann in enger Absprache mit der Patientin auch die Koordination und Planung der Behandlung festgelegt. Besonders ist in Wuppertal, dass eine sehr große Gruppe von Experten aus allen Fachrichtungen an der Konferenz beteiligt ist und wirklich alle für die beste Behandlung der Patientin an einem Strang ziehen. In anderen Städten ist es oft so, dass das Gremium der Tumorkonferenz nur vier bis fünf Personen umfasst, bei uns sind es in der Regel etwa 20 beteiligte Personen. Gerade wenn mehrere Fachleute auf denselben Befund schauen und ihre Expertise einbringen, fällt dem einen oder anderen etwas auf, was vielleicht sonst entgangen wäre und es wird auch mehr diskutiert.
Bei einer Stadt von über 360.000 Einwohnern – Wie viele Menschen behandeln Sie im Brustzentrum jährlich?
Prof. Hucke: Wir diagnostizieren circa 400 Menschen neu an Brustkrebs. Aber es gibt natürlich auch Patientinnen, bei denen die Erkrankung chronisch wird, der Brustkrebs zum Beispiel metastasiert, hauptsächlich in Knochen, Lunge, Leber, manchmal leider auch ins Gehirn. Nach heutigem Wissenstand ist die Erkrankung dann nicht mehr heilbar, aber zumindest behandelbar und im Verlauf abzubremsen. Es gibt Frauen, die mit ihrem Brustkrebs viele Jahre lang bei guter Lebensqualität weiterleben können. Sobald neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Therapien auftauchen, werden hier in Wuppertal diese Krankheitsverläufe innerhalb der Tumorkonferenz von uns neu angesprochen und diskutiert.
Was hat sich denn in der Brustkrebsforschung getan?
Prof. Hucke: Brustkrebs ist eine Erkrankung, die sehr unterschiedlich ist. Es gibt aggressivere und es gibt relativ harmlose Formen von Brustkrebs. Die Genetik spielt eine große Rolle und auf diesem Gebiet sind noch viele spannende Entwicklungen zu erwarten. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko an Brustkrebs zu erkranken und er kann auch nach vielen Jahren neu auftreten. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen, dann aber leider oft von aggressiveren Formen der Erkrankung. Heutzutage schaut man sehr genau hin, mit welcher Art von Krebs man es zu tun hat und daraufhin wird die Therapie abgestimmt.
Grundsätzlich entwickelt sich dieser Behandlungsbereich in den letzten Jahren enorm, gerade im Bereich der sogenannten Systemtherapien, wie antihormonelle Therapie, Chemotherapie, Antikörper- und in letzter Zeit auch speziell das Immunsystem aktivierenden Therapien. Am besten verträglich für den Körper ist der große Bereich der antihormonellen Therapien, meist gegeben in Tablettenform.
Auch die Strahlentherapie macht große Fortschritte, zum Beispiel in Form der sogenannten hypofraktionierten Bestrahlung. Hier wird die einzelne Dosis erhöht und die Dauer der Behandlung bei gleicher Wirkung verkürzt. In manchen Fällen kann auch nur noch das Tumorbett, also die Stelle, an der der Tumor lag, nach der Operation bestrahlt werden und es kann auf eine Bestrahlung der gesamten Brustdrüse verzichtet werden.
Das heißt, wenn ich an Brustkrebs erkrankt bin, kann es sein, dass eine OP wegfällt und die Einnahme von Medikamenten genügt?
Prof. Hucke: Nein, das kann man so nicht sagen. Solange der Brustkrebs nicht ferngestreut hat, sollte immer operiert werden, außer vielleicht bei sehr betagten Patientinnen. Es wird aber in zunehmender Zahl erst eine Vorbehandlung mit Antihormontabletten oder Chemotherapie oder Antikörpertherapie begonnen, weil man dann beurteilen kann, ob diese Therapie für den jeweiligen Tumor passend ist, das heißt auch, nach der Operation weitergegeben werden kann, oder ob das nicht so sinnvoll ist.
Dies kann bedeuten, dass man zum Beispiel vor der Operation nur einige Wochen ein Antihormonpräparat gibt. Der Pathologe kann dann anschließend im Vergleich des bei einer Gewebestanze vorher entnommenen Gewebes mit dem bei der Operation entfernten Gewebe erkennen, ob eine positive Wirkung am Tumor durch die Antihormone vorhanden ist. Dann kann man oft schon erkennen, dass keine Chemotherapie zusätzlich notwendig werden wird.
Oder es wird erst über mehrere Monate die notwendige Chemotherapie, eventuell begleitet von einer Antikörpertherapie gegeben. Zwischendurch kontrolliert man mittels Ultraschall, ob der Tumor darauf anspricht, das heißt, ob er kleiner wird oder eventuell sogar ganz verschwindet. Anschließend muss aber in jedem Fall operiert werden. Es geht ja darum, zu beurteilen, ob sich der Tumor auch unter dem Mikroskop betrachtet vollständig aufgelöst hat – was dann eine gute Prognose für die Patientin bedeutet oder ob noch Reste da sind, die man ja auch entfernen will. Wenn dies so ist, wird meist nach der Operation noch eine weitere systemische Behandlung sinnvoll sein.
Nun ist der Einstieg in die Therapie über die Gabe von Medikamenten für viele Betroffene erst einmal ungewöhnlich. Der verständliche Impuls ist oft: „Ich will den Tumor loswerden, bitte operieren Sie so schnell wie möglich.“ Dann ist es unsere Aufgabe zu erklären, dass die vorgeschaltete Therapie keinen Schaden bedeutet im Sinne eines Fortschreitens der Krankheit, dass sie aber einen großen Nutzen bedeuten kann, dass man beurteilen kann, ob die eingesetzte Therapie sinnvoll ist oder nicht.
Früher hat man meist erst operiert, dann hinterher die Chemotherapie oder Antihormontherapie gegeben, dann war der Tumor ja schon weg und man konnte nicht beurteilen, ob diese „adjuvante“ Therapie wirklich von Nutzen ist oder nicht. Heute nutzen wir in vielen Fällen das Umdrehen des Ablaufs der Therapie dazu, um einzuschätzen, wie gut die Wirkung der Systemtherapie bei der einzelnen Patientin ist.