Das Wunder von Barmen wird 15 Jahre alt

Die jüdische Gemeinde feiert den Geburtstag ihrer Synagoge an der Gemarker Straße. Sie steht für Verzeihen ohne Vergessen und für gemeinsame Zukunft.

Foto: Anna Schwartz

Der 8. Dezember ist kein ganz normaler Tag mehr im Kalender Wuppertals. Seit 2002 ist er außergewöhnlich. Das war der Tag, an dem die Synagoge an der Gemarker Straße in Barmen eingeweiht worden ist. Der damalige Bundespräsident und ehemalige Oberbürgermeister Wuppertals, Johannes rau, war zu Gast. Und auch der amtierende Staatspräsident Israels, Moshe Katzav, reiste aus Tel Aviv an. Es war der Tag, an dem das Judentum in Wuppertal wieder sichtbar wurde, eine neue Heimat bekam, eine gemeinsame Zukunft mit den anderen Glaubensgemeinschaften in Wuppertal. Angesichts der traumatischen Geschichte der Juden auch in Wuppertal grenzte das an ein Wunder.

Heute jährt sich dieser 8. Dezember zum 15. Mal. Am Sonntag kommt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nach Wuppertal. Er trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein, ehe ab 16 Uhr wenige Meter entfernt der Geburtstag dieses architektonisch ungewöhnlichen und gesellschaftlich so bedeutenden Bauwerks gefeiert wird.

Die Bergische Synagoge ist Ausdruck einer Entwicklung, die in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen hat. Damals wuchs die Jüdische Gemeinde in Wuppertal von einst nur noch 60 Mitgliedern auf zunächst 300 an. Der kleine Gebetsraum in einem jüdischen Altenheim an der Friedrich-Ebert-Straße wurde zu klein. So keimte in der Gemeinde der Wunsch auf, ein Zentrum zu haben, zum Beten, mit einer Bibliothek, mit Räumen für Religionsunterricht, mit dem Ritualband, der Mikwe, und einer koscheren Küche.

Es gehört zu den vielen Besonderheiten Wuppertals, dass als Fläche für den Neubau ausgerechnet ein Teil des Grundstückes zur Verfügung gestellt wurde, auf dem die Gemarker Kirche steht. Sie ist der Ort, an dem die evangelische Kirche im Jahre 1934 ihre Barmer theologische Erklärung verfasste, ein offenes Wort gegen Nationalsozialismus und die Diktatur in Deutschland. Eine Solidaritätsbekundung mit den Juden fehlte in der Erklärung allerdings. So mag die erwünschte Nachbarschaft auch Bitte um Vergebung sein.

Das knapp fünf Millionen Euro teure Bauwerk wurde vom Land, von der jüdischen Gemeinde und von der Stadt finanziert. Die Planung übernahmen die Wuppertaler Architekten Christoph Goedeking und Jürgen Schmidt. Ihr Entwurf ist voller Hinweise auf den jüdischen Glauben und genauere Betrachtung wert.

Noch wichtiger als die hohe Qualität der Architektur ist aber die Symbolkraft einer neuen Synagoge in einer Stadt, in der 1938 auch jüdische Gotteshäuser brannten und Fensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeschlagen worden sind. Die Synagoge steht für Verzeihen, und sie ist ein Zeichen für eine gemeinsame Zukunft von Juden, Christen und angehörigen anderer Religionsgemeinschaften. Diese Gemeinsamkeit ist in den vergangenen 15 Jahren ein einziges Mal gestört worden, als im Sommer 2014 palästinensische Jugendliche Brandsätze auf das Gebäude warfen. Der Sachschaden war zwar gering, dafür war die Erschütterung in der jüdischen Gemeinde umso größer. Sie wuchs fast noch, als die Täter lediglich zu geringen Freiheitsstrafen auf Bewährung beziehungsweise zu Sozialstunden verurteilt wurden. Das Gericht sah in der Aktion keine Judenfeindlichkeit, sondern einen Protest gegen die Politik der israelischen Regierung. Auch der amtierende Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde, Leonid Goldberg, hält dieses Urteil für bemerkenswert.

Daran, dass das jüdische Leben nicht zuletzt durch die Bergische Synagoge wieder voll und ganz in das Gesellschaftsleben im Bergischen Land integriert ist, hat das Urteil nichts ändern können. Der Kultusgemeinde gehören heute wieder mehr als 2200 Mitglieder an, und die Gemeinde selbst ist lebhafter Teil des Alltags in Wuppertal, Solingen und Remscheid.

Das ist auch am Freundeskreis Neue Synagoge sichtbar, der sich vor 20 Jahren zur Unterstützung der Baupläne gründete und der noch heute existiert. „Wir gratulieren der Jüdischen Kultusgemeinde zum 15-jährigen Bestehen der Bergischen Synagoge. Sie ist Ausdruck des vielfältigen jüdischen Lebens in unserer Region. Dafür sind wir dankbar. In diesen Jahren hatte die Synagoge mehrere tausend Besucher. Das zeigt das Interesse und die Solidarität der Menschen sowie die Offenheit und das große Engagement der Kultusgemeinde“, sagt Sozialdezernent Stefan Kühn. Er ist Vorsitzender des Freundeskreises.