Verkehrswende Debatte um Bürgerticket: Kommt jetzt das Nordstadt-Ticket?

Wuppertal · Die Initiative hat ihr Konzept im Stadthaus vorgestellt. Ein Vorschlag der Initiatoren: Das Konzept soll in der Nordstadt getestet werden.

Jan Niko Kirschbaum hat das Konzept zum Bürgerticket im katholischen Stadthaus vorgestellt.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Saal war gut gefüllt. Die Diskussion blieb sachlich. Am Dienstag stellte die Initiative für ein „solidarisches Bürgerticket“ ihr Konzept im katholischen Stadthaus am Laurentiusplatz vor.

„Was treibt uns an?“, fragt Jan Niko Kirschbaum zu Beginn seiner Präsentation und fügt schmunzelnd hinzu: „Oder angelehnt an eine E-Mail, die uns erreicht hat: Was ist eigentlich in Sie gefahren?“. Die Motive, ein neues Konzept für die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs zu schaffen, sind dabei alte Bekannte: Weniger Umweltbelastung, mehr gestaltbarer Raum in der Stadt, weniger Verkehrsunfälle und nicht zuletzt wirtschaftliche Vorteile – sofern die Wuppertalerinnen und Wuppertaler tatsächlich ihr Auto häufiger stehen lassen.

Dass die Reaktionen in Leserbriefen und im Netz auf ihre Vorschläge durchaus geteilt sind, ist für Kirschbaum und seine Mitstreiter aber kein Grund ihre Pläne ad acta zu legen: Die vorgeschlagenen Tarife seien zunächst einmal „relativ willkürlich“, da man erstmal Zahlen bräuchte, um überhaupt eine grobe Einschätzung der Dimensionen zu bekommen. „Wir können gerne darüber reden, ob wir mehr Staffelungen oder Tarife brauchen“, betont Kirschbaum, Sprecher der Initiative, nicht nur einmal am Abend.

Detailfragen sind es, die die 70 Gäste am Abend umtreiben

Detailfragen sind es aber, die die rund 70 Gäste am Abend umtreiben. Etwa, wie sichergestellt würde, dass das Geld tatsächlich in den ÖPNV fließe. „Durch die Zweckgebundenheit der Abgabe“, erwidert Kirschbaum routiniert. Für die Diskussion der Anregungen hat sich Kirschbaum Unterstützung von Prof. Ulrike Reutter, Anja Liebert (Fraktionsvorsitzende der Grünen), Dieter Hofmann (Kompetenznetzwerk Bürgerhaushalt) und Prof. Oscar Reutter geholt.

Auch die Gretchenfrage des Konzepts wird am Abend nicht ausgelassen: „Ich bin zu Fuß hier und gehe zu Fuß nach Hause. Was soll ich mit dem Ticket?“, bringt eine Teilnehmerin den größten Streitpunkt im Konzept auf den Punkt. Denn auch jene, die den ÖPNV nicht nutzen, müssten für das Angebot zahlen. „Sie haben trotzdem einen Nutzen“, argumentiert Kirschbaum und führt die Verbesserung der Luftqualität und geringere Verkehrsbelastung ins Feld, von denen auch jene profitierten, die den ÖPNV nicht nutzten.

Grundsätzlicher wird Ulrike Reutter, Professorin für Öffentliche Verkehrsmittel an der Bergischen Uni. „Das was sie gesagt haben, trifft natürlich den Kern des Konfliktes, der entsteht, wenn man mit einem solchen Vorschlag an die Öffentlichkeit geht.“ Ähnlich wie beim Semesterticket sei eine Abwägung – letztlich auch durch Gerichte – nötig, inwiefern der Nutzen der Gesamtheit den Eingriff in die Rechte des Einzelnen rechtfertige. Im Falle des Semestertickets, mit dem Studierende in NRW den ÖPNV nutzen können und alle, auch Autofahrer, eine Abgabe leisten müssen, sei dies positiv beschieden worden.

Staffelung der Beiträge

Anders als beim Semesterticket sei in diesem Modell eine Staffelung der Beiträge vorgesehen. „Wir haben jetzt erstmal ein einfacheres Modell entworfen“, räumt Anja Liebert ein. Mehr Staffelung bedeutet mehr Komplexität. Ein Punkt, den auch Kirschbaum bekräftigt: „Wo das Mittel zwischen möglichst gerecht und möglichst praktikabel liegt, ist eine Frage der Diskussion.“ Auch die Übernahme bereits erprobter Konzepte, wie das 365 Euro-Ticket in Wien oder der kostenlose Nahverkehr in Tallin seien nicht so einfach zu übernehmen. „Es gibt keine Grundlage, ein Konzept für alle zu schreiben, da die rechtliche Grundlage überall anders ist“, so Kirschbaum.

Was jetzt mit dem Vorschlag eines Bürgertickets passiert, ist unklar. Einen Vorschlag für die Umsetzung hätten die Initiatoren aber: Nach einer Pilotphase mit einem „Nordstadtticket“ könnte der Versuch auf die gesamte Stadt für eine einjährige Testphase ausgeweitet werden. Im Anschluss könne man die Erfahrungen auswerten und eine Entscheidung treffen. Letztendlich obliegt es sowohl der Landes- als auch der Kommunalpolitik, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Modellversuch zu schaffen. Initiator Kirschbaum zeigt sich am Ende der Vorstellung zufrieden: „Es kommt immer wieder was Neues. Es ist wichtig, dass wir darüber reden.“