Der Kämpferische übernimmt die Armada der Armen
Oberbürgermeister Peter Jung übernimmt routinemäßig den Vorsitz des NRW-Städtetages mit 40 Mitgliedsstädten.
Wuppertal. Während in Düsseldorf an einer Ampelkoalition gebastelt wird, löst in Neuss der Wuppertaler CDU-Oberbürgermeister Peter Jung seinen SPD-Kollegen Norbert Bude aus Mönchengladbach an der Spitze des NRW-Städtetags ab. Die Routine-Rochade darf zum jetzigen Zeitpunkt auch als Signal an die künftige Landesregierung gewertet werden. Die kann - wie immer sie aussieht - nicht damit rechnen, dass die Kommunen in ihrem Widerstand gegen das finanzielle Ausbluten nachlassen - im Gegenteil. Mit OB Jung steht nun jemand an der Spitze des Interessenverbandes, dessen Stadt bundesweit zum Paradebeispiel für das Elend ehemals stolzer Industriemetropolen geworden ist.
Wer über kaputte Straßen, zu schließende Bäder, totgesparte Kultur und den allgemeinen Verlust von Lebensqualität spricht, führt den Namen Wuppertal im Munde. Gut tut dies der Stadt nicht, möglicherweise ist der Image-Schaden kaum noch zu reparieren. Eine solche Stadt als Oberbürgermeister zu vertreten, hat schon etwas von Märtyrertum. Ein Mann, dessen Stadt ums nackte Überleben kämpft ist keiner, der sich mit Kompromissen abgeben kann. Schon als Vize des Städtetages hat Jung gezeigt, dass ihm in Sachen Kommunalfinanzen egal ist, welches Parteibuch in der jeweiligen Landes- oder Bundesregierung beherrschend ist. Er ist ein direkt gewählter Bürger-Repräsentant und versteht sich auch so. Dennoch fällt Kritik leichter, wenn sie sich nicht an das eigene Lager richten muss.
Was aber kann Jung, was kann der Städtetag erreichen? Bisher ist der Lobby-Verband vor allem mit Resolutionen und Eingaben gegenüber Land und Bund aufgefallen, die im Tonfall mit jeder Windung der Schuldenschraube heftiger geworden sind. Eine Schwäche ist, dass die kommunalen Spitzenverbände immer noch dreigespalten sind (Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag).
Alle drei eint, dass sie die Auseinandersetzung vor Gericht nicht scheuen. Eben erst war eine Verfassungsklage gegen die Ausgleichszahlungen bei HartzIV-Empfängern erfolgreich. Auch in der Wuppertaler Rechtsabteilung weiß man, wie Musterklagen vorzubereiten sind. Jungs Vorgänger Bude hat bereits angekündigt, dass die Städte das Thema Einheitslasten gerichtlich klären lassen wollen. Dies wird wohl so kommen, denn obwohl die Überweisungen zahlungsunfähiger West-Kommunen in die neuen Bundesländer landauf landab beklagt werden, bewegt sich beim Bund nichts. Das gilt auch für die Versprechen aus Berlin, man wolle die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Das Gegenteil geschieht, das Sparprogramm des Bundes belastet die Sozialkassen der Städte zusätzlich.
Jungs Ziel ist es, Zusagen einzufordern - für Wuppertal und alle armen Städte. Daran wird es sich messen lassen müssen, ebenso an seiner Rolle als Vermittler in den eigenen Reihen - zum Beispiel wenn es darum geht, einen Entschuldungsfonds aufzulegen, in den auch reiche Städte einzahlen. Viel Zeit bleibt Jung als Steuermann einer Armada der Armen nicht, um kommunalpolitisch Geschichte zu schreiben. In zwei Jahren übernimmt die SPD wieder.