Was glauben Sie denn? Wuppertaler Kirchenkolumne: Frühlingsfeste, Pessach, Ostern und viele Fragen

Wuppertal · Juden und Christen feiern für sie wichtige Feste in diesem Jahr einmal wieder zur gleichen Zeit. Was verbindet die jeweiligen Feste?

Zu Pessach gehren bestimmte Speisen die mit Mazzen gegessen weren.

Foto: epd/Isabell Knief

Da ist zunächst der Wanderprediger Jehoshua aus Nazareth, der uns verbindet und auch trennt. Es verbindet uns, dass er Jude war. Das Königreich Judäa wurde damals von den Römern beherrscht, die ihre Kultur und ihren Götterhimmel mitbrachten und darauf drängten, dass die unterworfenen Völker auch ihre Kultur übernahmen. Das gelang natürlich leichter in Städten wie Jerusalem, wo selbst Priester nicht dagegen gefeit waren. Der Sanhedrin, der jüdische Gerichtshof, bestand zwar noch, hatte aber nur interne Befugnisse. Wirklich wichtige Urteile, wie Todesurteile, wurden allein von den Römern gefällt. Diese gab es damals reichlich. Ein bei den Römern sehr beliebtes Todesurteil war die Kreuzigung. Hunderte Kreuze säumten die Straße nach Jericho. Die Wanderprediger versuchten dagegen, wenigstens den jüdischen Glauben der Landbevölkerung zu stärken. Doch zu Pessach, einem jüdischen Wallfahrtsfest, war auch Prediger Jehoshua mit seinen engsten Vertrauten nach Jerusalem gekommen. Sie feierten zusammen den Seder-Abend. Das ist der Vorabend des Pessach-Festes, an dem bei rituellen Speisen lange über die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft diskutiert wird. Sicher wurden an diesem Abend auch Parallelen zur Herrschaft der Römer gezogen. Den Rest der Nacht verbrachte die Gruppe im Garten Gethsemane. Dort wurde Jehoshua von den Römern verhaftet und am nächsten Tag, einem Freitag, vor Gericht gestellt. Einer seiner Freunde hatte die Diskussion über die Römer an diese weitergegeben. Wie Ihnen sicher bekannt ist, wurde er zum Tode verurteilt und gekreuzigt. Er wurde noch vor Shabbat in ein Grab gelegt. Soweit ist die Geschichte durchaus jüdisch. Nach Shabbat, für Juden ist der Sonntag der erste Tag der neuen Woche, gingen Frauen zu dem erwähnten Grab, das mit einem schweren Stein verschlossen gewesen war. Die Frauen fanden den Stein beiseite gerollt und das Grab war leer.
Hier nun beginnt der christliche Teil der Geschichte, denn die Interpretation, dass ein am Kreuz verstorbener jüdischer Mensch, da er Gottes Sohn war, am dritten Tag nach seinem Tode auferstanden ist, ist für die meisten Juden nicht nachvollziehbar. Gottes Söhne oder Kinder sind nach jüdischem Verständnis alle Menschen.

Juden feiern zu Pessach nach wie vor die Befreiung aus der Sklaverei durch Gottes starken Arm und seinen Beauftragten Moshe. Jeder Jude, jede Jüdin soll sich in der langen Seder-Nacht so fühlen, als seien sie selbst von der Sklaverei befreit, mit Gottes Hilfe der Enge der Unterdrückung entronnen und auf dem Weg in die Freiheit. Auch zur Freiheit gelangt man erst durch einen langen Lernprozess. Das wird uns deutlich gemacht anhand von vier Kindern, die an diesem Abend ihre Fragen stellen oder nicht dazu in der Lage sind. Später heißt es in den Geboten ausdrücklich: „Lehre deine Kinder…“

Fototermin: Frau Ruth "Ruti" Yael Tutzinger 37/100 Neues Foto von Frau Tutzinger für unsere Kirchenseite. kiryat-ruti@t-online.de

Foto: Anna Schwartz/ANNA SCHWARTZ

Was sollen wir sie lehren? Wir sollen sie lehren, Fragen zu stellen. Nur wer gelernt hat zu fragen, wird ein Unterscheidungsvermögen entwickeln. Hier am Seder-Abend stellt das kluge Kind Fragen, die schon sehr anspruchsvoll sind. Salopp würden wir sagen, das ist ein Streber. Doch diese Fragen zeigen uns auch, dass wir an uns selbst den Anspruch haben sollen, selbst schwierige Texte zu hinterfragen. Vielleicht hat unser jeweiliger Lehrer darauf auch keine Antwort, aber allein, dass man eine Frage ernsthaft formuliert, hilft oft schon weiter. Dann wird uns das bösartige Kind vorgestellt, das zwar eine Frage stellt, aber so, als interessiere die Antwort eh nicht. Dann gibt es noch das einfältige Kind, das sich überfordert fühlt, und schließlich das Kind, das überhaupt noch nicht zu fragen versteht. Alle vier Kinder können wir auch als Gruppen in unserer Gesellschaft verstehen.

Um die Gruppe der klugen Menschen muss man sich weniger Sorgen machen. Allerdings könnte man sie anhalten, sich mit mehr Empathie der weniger klugen anzunehmen und sie zu lehren, wie man Fragen stellen sollte und vor allem, was man hinterfragen sollte. Gerade in Zeiten, wo Desinformation in großem Stil betrieben wird, brauchen wir Menschen, die gegensteuern, die wenigstens versuchen, der Wahrheit noch Gehör zu verschaffen. Sicher wird es immer Menschen geben, bei denen jeder Versuch zwecklos ist, wie bei dem bösartigen Kind. Auch ich kenne durchaus Menschen, mit denen ich zum Beispiel über das Existenzrecht Israels nicht mehr rede. Aber ich habe vorher meinen Standpunkt deutlich gemacht, dass, wenn es Israel nicht mehr geben sollte, jeder Jude überall auf der Welt wieder Freiwild ist. Vor allem ein Jude, der das nicht einsieht, dem ist nicht zu helfen. Das heißt nicht, dass man Fehler, die in Israel gemacht werden, wie überall unter Menschen, dass man diese nicht kritisieren darf. Wir alle wissen, wie schwierig es in unserer Welt gerade ist. Darum müssen wir alle lernen, die richtigen Fragen zu stellen, um uns in dem Dschungel von Desinformationen zurechtzufinden und möglichst einen Weg zur Wahrheit und zum Frieden zu finden. Möge Gott uns dabei helfen.