Ein Kaffee mit... Der Keil ist da, wir können anfangen
Mehr als 1,2 Millionen Fotos in 50 Jahren — der ehemalige Fotograf der WZ ist Wuppertaler Stadtgeschichte. Er plant ein Buch über das Stadion am Zoo.
Wuppertal. Kurt Keil hat Glück gehabt. Das gibt er zu. „Als ich in den Ruhestand ging, habe ich mich beim Geschäftsführer dafür bedankt, dass ich für mein Hobby ganz gut bezahlt worden bin“, sagt er und lacht. „Der hat vielleicht geguckt.“ Zwölf Jahre ist das her, im Juni wird Keil 77. Es ist ihm kaum anzusehen. Für einen wie ihn ist das Wort „Unruhestand“ erfunden worden. „Aber im nächsten Jahr will ich langsam aufhören. Die jungen Fotografen grüßen immer noch freundlich. Aber ich glaube, sie würden mich am liebsten harpunieren.“ Konkurrenz kostet Geld. Und die Zeiten für Fotojournalisten sind nicht einfacher geworden. „Ich hatte es gut“, sagt Keil. 50 Jahre arbeitete er für Zeitungen, 40 Jahre davon für den General-Anzeiger, der seit Anfang der 1970er-Jahre WZ heißt. Und er hat jeden Tag genossen, genießt es immer noch, überall erkannt und begrüßt zu werden. „Wenn ich auf Veranstaltungen kam, hieß es oft: Der Keil ist da, wir können anfangen.“ Damals habe er aufpassen müssen, Funktion und Person nicht zu verwechseln.
In all den Jahren, auf all den Veranstaltungen und Festen hat Kurt Keil ein sehr feines Gespür für Menschen entwickelt. Wer ihn je reden, witzeln, manchmal auch poltern gehört hat, erkennt das vielleicht nicht sofort. Aber so nah er mit dem Objektiv auch an die Menschen kam, so höflich hat er auch Distanz gewahrt. „Johannes Rau wollte nie mit Zigarette fotografiert werden. Das habe ich respektiert und entsprechend reagiert.“ Den ehemaligen Oberbürgermeister, NRW-Minister- und Bundespräsidenten hatte er eigenen Schätzungen nach gut 800 Mal vor der Linse. Was Rau auf Fotos von sich nicht sehen mochte, wusste Keil nach wenigen Terminen.
Das ist vermutlich einerseits die Folge von unter einer sarkastischen Grobheit und brachialen Humor verstecktes Feingefühl. Und es ist Folge seiner eigenen Geschichte. Kurt Keil ist gelernter Installateur, und so mancher Kollege hat ihn im Laufe der Jahre spüren lassen, dass er sich als gelernter Fotograf für etwas besseres hielt. Diese Wunde schmerzt noch immer. Aber sie ist fast zugewachsen dank der Salbe namens „Stolz auf das Erreichte“. Kurt Keil ist Autodidakt, ein Fotograf mit viel Naturtalent, mit Ehrgeiz und der Kraft, auch die eigene Arbeit immer in Frage zu stellen. Diese Eigenschaft hat ihn vom Hobby-Knipser mit der Bilora-Box zu einem der gefragtesten Fotojournalisten der Region gemacht.
Er ist auch einer der nettesten. Er plaudert gern, lässt sich den neuesten Tratsch erzählen und hat auch immer eine Anekdote parat. Jedes Wort verrät, dass er in Hattingen aufwuchs. Dort wird schon sehr deutlich ruhrgebietisch gesprochen. „Ich bin von Terminen meistens nicht sofort wieder verschwunden“, erzählt Keil. Das hat dann oft dazu geführt, dass die Pflicht um 20 Uhr in eine Kür bis halb Eins mündete. Sehr zum Leidwesen von Ehefrau Greta. Aber sie wusste ja, wen sie geheiratet hat. Und Keils Töchter kennen ihren Vater. „Ich hätte die beiden gern im Journalismus gesehen. Aber sie haben sich anders entschieden. Nun gut, sie sind glücklich und zufrieden. Das ist die Hauptsache.“
Dass Kurt Keil nicht so recht aufhören kann mit seiner Arbeit, ist typisch für einen Menschen, der seine liebste Freizeitbeschäftigung zum Broterwerb gemacht hat. Er ist immer Fotograf, egal wo, egal wann. „Das hat Vorteile. In einer fremden Stadt finde ich unser Auto immer. Ich kann mir das Bild der Stelle sehr genau einprägen, auf der es steht.“ Überhaupt ist richtig sehen können für den in Tschöppern (Tschechien) geborenen Vohwinkeler das A und O für Fotografen. „Man muss sich das Bild vorstellen können, wie es am Ende wird“, sagt Keil.
Im Keller des Reihenhäuschens der Keils in Vohwinkel stehen ziemlich viele Kartons. Der Hobbyraum ist voll, und auch das Bügelzimmer dient als Lagerfläche. Fast 1,3 Millionen Fotos auf Filmen, auf Datenträgern sind eine ganze Menge. Und vor allem sind sie festgehaltene Stadtgeschichte. Keil kramt oft in den Kisten, sucht historische Aufnahmen von Menschen und Gebäuden. „Wuppertal hat sich verändert“, sagt er und meint den Einzelhandel, der früher mit mehr Textilgeschäften gelockt habe. Er meint die Vielzahl der Autos und die Tatsache, dass die Einwohnerzahl gesunken ist. Aber Erinnerungen bleiben. Die Zugkatastrophe von 1971 in Radevormwald mit fast 50 Toten und das fürchterliche Schwebebahnunglück im Jahr 1999 haben sich ebenso in das Gedächtnis des Fotografen eingebrannt wie die zahllosen Besuche prominenter Politiker und mindestens ebenso bekannter Künstler.
Und der Sport erst. Was hat das Stadion am Zoo in den vergangenen 50 Jahren nicht alles an Spitzenleistungen gesehen, auch, aber nicht nur vom Wuppertaler SV. Kurt Keil hat es fotografiert. Derzeit arbeitet er daran, daraus ein Buch zu machen. Es soll noch in diesem Jahr fertig werden. Das trifft sich gut. Ruhiger werden soll es ja erst im nächsten Jahr für Kurt Keil. Mal sehen.