Zukunft Didimos heißt das Projekt, das Regisseure und Autoren mit der Bergischen Uni Wuppertal entwickelt haben

Wuppertal · Nachrichten aus der Zukunft für die Welt von Heute.

Erica von Moeller verbindet Fiktion und Realität.

Foto: Andreas Fischer

Wie sieht unsere Welt im Jahr 2053 aus? Was wird sich in 30 Jahren verändert haben? Was passiert, wenn die Bevölkerungszahl Afrikas sich verdoppelt hat? Schreibt Künstliche Intelligenz unsere Geburtstagsgrüße? Mögliche Antworten liefert Didimos – ein fiktives Autorenkollektiv, das aus der Zukunft Nachrichten an unsere Gegenwart schreibt. „2050 – Geschichten von Morgen“ heißt das Projekt.

Die Köpfe hinter Didimos sind Erica von Moeller, Regisseurin, Autorin und Professorin für Design Audiovisueller Medien an der Bergischen Universität, sowie die beiden Autoren Sönke Lars Neuwöhner und Sven Holly Nullmeyer. In einem Gedankenspiel stellen sie sich vor, wie die Welt von Morgen aussieht – vor dem Hintergrund, dass das Klimaziel von 1,5-Grad vermutlich nicht einzuhalten ist. Eine Erderwärmung um drei Grad ist die neue Realität. „Was, wenn die Zukunft mit uns kommunizieren würde? Würden wir alles anders machen, um diese Zukunft zu ändern oder auszulöschen?“, fragt Erica von Moeller. „Wir erzählen eine Geschichte, in der eben das eine Option zu sein scheint.“ Doch was machen drei Grad, ja, was macht schon ein halber Grad mehr aus? Das ist oft abstrakt. Durch diese Art der Zukunftserzählungen werden die Auswirkungen plastischer. „Dabei geht es nicht nur um Warnungen, die sich aus einer düsteren Prognose ergeben kann. Es geht eher darum, die Fragen in der Krise zu erkennen: Wie wollen wir, wer wollen wir in dieser Zukunft sein?“, erklärt sie.

Fiktive Journalisten berichten aus der Zukunft, eine fiktive Künstlerin hat eine Ausstellung. Auf der Website didimos.org sind alle Geschichten gebündelt. Erica von Moeller, Sönke Lars Neuwöhner und Sven Holly Nullmeyer verbinden dabei Fiktion und Realität. Bereits 2018 ist das Projekt gestartet, die Mercator-Stiftung und die European Climate Foundation haben die Recherchen finanziert – mit Wissenschaftlern des Wuppertal Instituts, dem Climate Service Center Germany (GERICS) und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Die drei Autoren haben dann verschiedene Handlungsstränge entwickelt. So haben sie über eine Pandemie nachgedacht, die im Rheingau ausbricht – noch bevor Corona überhaupt ein Thema war. „Manchmal überholt sogar die Gegenwart die Zukunft“, erklärt von Moeller.

Der Zeitpunkt in 30 Jahren ist keinesfalls zufällig gewählt. Zum Einen lasse sich dieser Zeitraum relativ genau vorhersagen. „Bis Mitte des 21. Jahrhunderts werden voraussichtlich 80 Prozent der bis dahin auf neun Milliarden Menschen angewachsenen Weltbevölkerung in Städten leben. Andererseits wird sich bis dahin zeigen, ob es gelungen ist, die Klimakrise einzudämmen“, so von Moeller.

Ein Gedankenspiel, das sie gesponnen haben, spielt im Bundestag. Eine Klimabewegung radikalisiert sich in der Zukunft. „Die Figur Malabona wird zur Ikone, als sie das deutsche Parlament zur Geißel nimmt: Irgendwann kommt sie als lebende Bombe in eine Plenarsitzung, in der eine klimapolitische Entscheidung gefällt wird“, erklärt Erica von Moeller.

Neben den fiktiven Handlungen haben die Autoren Interviews gedreht. Reale Wissenschaftler – Politologen, Designer, Theologen, Psychologen – sprechen darüber, wie ihr Forschungsgebiet in 30 Jahren aussehen wird. „Forscher geben ungern Prognosen preis. Aber hier haben sie sich auf das Gedankenexperiment eingelassen und schon bestehende Phänomene weitergedacht“, sagt von Moeller. Werden Gerichtsurteile zukünftig noch von Richtern gefällt oder übernimmt das Künstliche Intelligenz? Wie verändert sich die Smartphone-Nutzung? Sogenannte Insideables, Implantate unter der Haut, die beispielsweise Stresshormone messen und bei einem bestimmten Level den Menschen warnen, werden nicht mehr lange nur der Zukunft angehören. Die werden kosten und das kann sich nicht jeder leisten. „Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer werden“, erklärt Erica von Moeller.

Entstanden ist bereits ein 30-minütiger Spielfilm, der im Jahr 2052 spielt und voraussichtlich im September Premiere feiern soll. Im Zentrum steht eine alleinerziehende Mutter, die Youtube-Videos über die Zukunft der Menschheit, die Auswirkungen der Klimakrise sieht, als auf ihrem Computermonitor ein Mann erscheint, der behauptet, aus der Zukunft zu kommen. „Das entwickelt eine Spannung für den Zuschauer, sich auch mit diesen Themen zu befassen“, sagt Erica von Moeller.

Die Ideen für Didimos seien nahezu unendlich, sagt von Moeller. „Die Figuren führen mittlerweile ein Eigenleben und wir gucken zu. Wir könnten das über Jahrzehnte so weitertreiben“, sagt sie. Die Geschichte rund um die Journalistin Malabona dient zudem als Auftakt für eine zwölfteilige TV-Serie mit der Produktionsfirma Constantin, die derzeit geplant wird. Neben der Homepage didimos.org, dem Film und der Serie sind Live-Shows mit Film-, Lesungs- und Musikanteilen unter anderem im November in Wuppertal geplant, bei der die Geschichten von Schauspielern gelesen werden. Didimos soll aufrütteln – Debatten anregen. „Wir rennen nicht blind und getrieben in ein festgelegtes Morgen, sondern packen das Morgen am Schlawittchen und ziehen es zu uns ran, um mit ihm ein ernstes oder spaßiges Wörtchen zu reden“, sagt von Moeller.