EuGH muss entscheiden Die Finanzierung des ÖPNV steht auf der Kippe
Wuppertal · Europäischer Gerichtshof prüft steuerlichen Querverbund. Das könnte eine Katastrophe bedeuten, sagt Kämmerer Johannes Slawig.
Die Finanzierung von Bus und Bahn nicht nur in Wuppertal steht auf dem Prüfstand und könnte sich als illegal herausstellen. Damit wäre das Finanzierungsmodell des ÖPNV der Stadtwerke hinfällig. Der Bundesfinanzhof hat einen Fall aus Mecklenburg-Vorpommern geprüft. Dort ging es um ein Schwimmbad, dessen Verlust von den Stadtwerken ausgeglichen wurde – eben das Prinzip „steuerlicher Querverbund“. Ein Prüfer hatte das als „verdeckte Gewinnausschüttung“ bemängelt. Der Bundesfinanzhof hat es jetzt an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg weitergegeben.
Wenn der entscheidet, dass es sich bei dieser weit verbreiteten Praxis um „unzulässige Beihilfe“ handelt, wäre das laut Kämmerer Johannes Slawig (CDU) eine „Katastrophe“. Denn dann müssten die Stadtwerke, die zu mehr als 99 Prozent Tochter der Stadt sind, die Gewinne aus dem Strom direkt versteuern. Bisher werden die mit den Verlusten aus dem ÖPNV verrechnet und erst dann versteuert. Die Stadtwerke geben jährlich rund 140 Millionen Euro für den ÖPNV aus. Nach Einnahmen um die 90 Millionen müssen sie noch 50 Millionen aus der Energieversorgung in den ÖPNV stecken.
Slawig sagt, es gehe um eine hohe dann fällige Erstagssteuer, „die Gewinne würden um ein Drittel schrumpfen“, schätzt er. Er geht von Werten zwischen 15 bis 20 Millionen Euro aus. „Der Rest würde nicht mehr ausreichen, um den ÖPNV in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Das würden die Stadtwerke nicht auffangen können“, erklärt er das Problem. Finanziell kritisch wäre das auch, weil die Forderungen auch rückwirkend fällig würden, so Slawig. Das würde an die Substanz der WSW gehen.
Slawig sieht nur die Möglichkeit, die Grundsteuer zu erhöhen
Bisher ist Ziel der Stadtwerke, mit einer schwarzen Null zu wirtschaften, um die Stadt nicht zu belasten. Wenn die bisherige Finanzierung des ÖPNV so nicht mehr gegeben wäre, müssten entweder die Preise steigen oder die Stadt müsste einspringen. Slawig sieht da nur die Möglichkeit, die Grundsteuer zu erhöhen. Aber das wäre politisch nicht durchzusetzen.
Dabei gibt es auch andere Ideen, den ÖPNV zu bezahlen. Denn das System steht nicht erst seit dieser Woche in der Kritik. Verkehrsdezernent Frank Meyer (SPD) hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass er den steuerlichen Querverbund als Auslaufmodell betrachtet. „Der ÖPNV ist defizitär. Wir brauchen eine Finanzierung, die nicht willkürlich von den Gewinnen der Stromsparte der Stadtwerke abhängt“, sagt er. Gerade weil der Strommarkt liberalisiert wurde und Kunden den Anbieter frei wählen können, ist die frühere Verbindung, dass lokaler Strom lokale Daseinsvorsorge finanziert, nicht mehr automatisch gegeben. Zudem, so Meyer, müsse der ÖPNV ausgebaut werden. Das gibt das System nicht her: Unter den jetzigen Bedingungen führt „Optimieren zu weniger ÖPNV“, so Meyer.
Zuletzt hatte die Initiative Bürgerticket auf das Problem hingewiesen und ein alternatives Finanzierungsmodell vorgeschlagen – bei dem fast alle Einwohner einen Beitrag zahlen, abhängig vom Einkommen, und dann ohne Ticket denn ÖPNV nutzen. Angesichts der neuen Lage findet der Sprecher der Initiative klare Worte: „Wir kritisieren seit Jahren die nicht ausreichende und langfristig nicht mehr tragfähige Finanzierung des ÖPNV. Es kann nun keine Ausreden mehr geben: Wir brauchen ein neues Finanzierungsmodell. Wir haben ein ambitioniertes, zukunftsfähiges Konzept vorgelegt und erwarten nun von den Parteien, dass sie nachziehen. Der Stadtrat und auch der Landtag sind jetzt gefordert. Wir dürfen nicht warten, bis der Karren im Dreck steckt.“
Meyer sieht es ähnlich: Man dürfe nicht erst über Alternativen reden, wenn es ein Urteil gibt. „Wir sind gut beraten, früh nachzudenken.“ Elmar Thyen, Sprecher der Stadtwerke, vertraut dagegen darauf, dass das Modell des steuerlichen Querverbunds „als Grundlage einer funktionierenden Daseinsvorsorge“ erhalten bleibt: „Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung und die Finanzverwaltung frühzeitig entgegensteuern, sollte der EuGH die EU-konformität des steuerlichen Querverbundes in der aktuellen Fassung in Zweifel ziehen.“