Vernissage am Sonntag Die fünf neuen Mitgliederinnen der Gedok stellen sich im Wuppertaler BKG-Studio vor

Wuppertal · Von Ahnungen, Hysterie, Erinnerungen, Tanz und Unfreiheit.

Stellen gemeinsam bei der BKG aus: (v.l.) Iris Bieschin, Anke Schmidt, Ilona Reichhardt und Claudia Schnitzler. Nicht im Bild: Farnaz Beheshti.

Foto: Andreas Fischer

Ein Mund, ein Ohr, ein Auge, eine Nase, eine Hand – mit der Kamera in schwarz-weiß aufgenommen. Nebeneinandergelegte Fotografien auf einer handlichen Karte, einem Plakat. Fünf Details menschlicher Körper, Stellvertreter der Frauen, zu denen sie gehören. Die Frauen brauchen sie, um künstlerisch tätig zu sein. „Unsere fünf Sinne“, sagt Anke Schmidt kurz, begründet warum sie und ihre vier Kolleginnen ihre gemeinsame Ausstellung im Studio der Bergischen Kunstgenossenschaft (BKG) mit der Collage bewerben. „Wir haben keinen roten Faden, jede präsentiert sich, aber wir alle sind Künstlerinnen.“ Die überdies alle 2023 zur Gedok fanden. Am Sonntagvormittag stellen sie sich vor. „5 fünf 5 – Die Neuen der Gedok“.

Fünf Frauen, fünf Künstlerinnen, die in die Gedok strebten, um sich dort mit anderen Künstlerinnen aus verschiedenen Sparten auszutauschen, zu vernetzen, um gemeinsam etwas zu entwickeln. Bei der Gedok-Jahresschau in Mülheim an der Ruhr im April kamen sie sich näher, im Gespräch und im Tun, sammelten erste Erfahrungen beim Ausstellungsaufbau. Stellten vielleicht auch die eine oder andere Gemeinsamkeit fest, die jetzt dazu führt, dass ihre Schau bei der BKG vielfach in den Raum wirkt, mehr Objekte und Installationen und weniger Bilder zeigt. Bei der letzten BKG-Ausstellung im Frühsommer hatten sie sich mit den beiden Räumen im hinteren Trakt des Kolkmannhauses vertraut gemacht. Um nun dort zu zeigen, was jede von sich zeigen will, angepasst an den Ort und zugleich individuell, ein Gesamtbild, das sich von herkömmlichen Schauen abhebt und jeder Platz zur individuellen Präsentation gibt, auch wenn der im Einzelfall eng begrenzt ist. In harmonischem, reibungslosem und flexiblem Tun.

Anke Schmidt entwickelt die Ideen für ihre Installationen aus den freien Gedanken, ihre Arbeiten erzählen Geschichten und erschaffen Raum, im konkreten Fall aus einer Ahnung heraus, die keine gute ist, beschreibt die gebürtige Wuppertalerin. „Ich hab so eine Ahnung, dass ... Pythia schweigt“, betitelt die 62-Jährige in Anlehnung an das Orakel von Delphi ihren Beitrag in der BKG. Die ehemalige Requisiteurin bei Pina Bausch und ihrem Tanztheater fand über Theater und Film zu ihren Installationen. Drei Arbeiten zeigt sie nun, die größte ist die mit dem symbolträchtigen Titel, die sie kurzerhand am Wochenende umgebaut hat. Bestehend aus Stühlen, Fotos (unter anderem von den Twin Towers in New York), einer Zeichnung, einem Kopfhörer, aus dem ihre unheilvollen Ahnungen, Prophezeiungen, Verschwörungen ins Ohr dringen. Verdichtete Ängste in unheilvoller Zeit.

Aus der Malerei kommt Iris Bieschin, die drei Wandobjekte, ein Bild und eine Installation aus Duisburg mitgebracht hat. Die studierte Germanistin und Philosophin beschäftigt sich aktuell viel mit dem Thema Hysterie, was mit den vielen Krisen in der Welt zu tun hat, in denen Frauen überdies schnell in die Opferrolle geraten, sagt sie. Eine unheilvolle Tradition, die die 69-Jährige auch in ihrem Wandobjekt zum Ausdruck bringen will. „Hysterie“ besteht aus einem langen von der Wand auf den Boden fließenden, weißen Stoff (ein Laken, eine Abtrennung im Krankenhaus?), auf dem am Boden drei undefinierbare, ebenfalls weißliche Gegenstände aus Draht und Pappmaschee liegen, herausgefallen und aufgefangen zugleich – eine bewusst uneindeutige Situation.

In Dorsten hatte Claudia Schnitzler Anfang des Jahres eine Einzelausstellung. Im zum Bürgerbahnhof umgebauten Bahnhof zeigte sie Material, das ihr aus einem Tresor des Gebäudes gegeben worden war, auch Baumaterial, Fundstücke. „Gerettete Vergangenheit“, die sie nun auszugsweise in Wuppertal zeigt. Eine Installation, zwei Wandobjekte, zwei Fotografien und ein Objekt. Die 54-jährige Materialkünstlerin legte „einen langen Weg“ zurück, bis sie vor 17 Jahren eine Ausbildung zur Bildhauerin absolvierte, erzählt sie. „Bhf DNA“ besteht aus 36 alten Akten-Reitern, die sie mit einzelnen Worten beschriftet hat, die Bahngeschichten assoziieren. Übereinander gehängt an einer Art Ministrickleiter, einem filigranen, geschwungenen Miniaturgleis, das vor weißem Hintergrund auf den Boden fließt.

Genähte Wandobjekte aus der Schulzeit

In diesem Jahr ist Ilona Reinhardt in den Ruhestand verabschiedet worden, die 65-jährige Lehrerin, die Kunst- und Textilgestaltung studierte und an ihrer Schule gerne die Theaterarbeit gemacht hat, zeigt in Wuppertal vier genähte Wandobjekte aus ihrer Schulzeit in Hattingen und zwei Ölbilder, die sie mit Wollflies und Wachs bearbeitet hat. Sie erforsche gerne natürliche Zusammenhänge, ohne diese abbilden zu wollen, sagt die Nevigeserin. Und zeigt auf „Pas de deux“, das aus Fundstücken aus der Schulzeit besteht: Mit bunter Naturfarbe bearbeitete Stoffstreifen, die sie zu zwei rechteckigen Flächen zusammengenäht und mit Wollflies versehen hat. Nebeneinander an der Wand drapiert, werden sie lebendig, treten in Kontakt, „ein tänzerischer Zusammenhang entsteht“.

Aus dem Iran ist Farnaz Beheshti vor fünf Jahren nach Wuppertal gekommen. Die studierte Miniaturzeichnerin ließ eine ausstellungsreiche Vergangenheit zurück, zeigt nun 13 Bilder, in die sie ihre Kunstfertigkeit integriert hat – im Schwebezustand zwischen Abstraktion und Figürlichkeit. Farbig, filigran und leuchtend. Dazu hängt sie ein Gedicht, das sie 2022 schrieb über „Die Frauen meiner Heimat“. Eine Klage über die Unfreiheit im Iran, über das Unwissen der westlichen Welt. Worte, die beklommen machen.

„5 fünf 5“ zeigt den Blick von fünf Künstlerinnen auf diese Welt, individuell und vereint.