Interview "Die Gathe war nie ein bürgerliches Quartier"
Experte Matthias Wanner erklärt im Interview die Entwicklung des Quartiers.
Herr Wanner, bei Ihren Forschungen zur Lebensqualität in Wuppertal beschäftigen Sie sich mit dem Quartier Mirke. Dazu gehört auch die Gathe, über deren Veränderung zum Negativen immer wieder diskutiert wird.
Matthias Wanner: Auch wir haben uns die Straße und das Quartier im Zeitraum 2007 bis 2016 näher angesehen. Es gibt viele wichtige Akteure - Einrichtungen wie die Alte Feuerwache, Initiativen wie Utopiastadt. Bei kulturellen Angeboten geht es bergauf, das wichtige Thema Bildung und Integration hat sich stabil gehalten. Was uns auffiel: Die Veränderungen bei den Geschäften, das „Trading down“ steht isoliert da — es gibt kaum Verbindungen zu den anderen Clustern. Deshalb wollten wir mehr wissen über den Bereich.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wanner: Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, mit den Inhabern der Betriebe, mit der Polizei, mit der muslimischen Gemeinde, auch mit Insidern und dabei viel gelernt.
Zum Beispiel?
Wanner: Dass die Eigentumsstruktur sehr kleinteilig ist. Weit über die Hälfte der Immobilien sind in lokaler Hand. Es gibt kaum Besitzer von außerhalb. Einige kommen aus dem Bergischen, aus dem Ruhrgebiet, aus Berlin.
Viele Einzelhändler haben die Gathe verlassen.
Wanner: Viel hat die Verlagerung des Schwerpunkts in der Elberfelder City Richtung Hauptbahnhof ausgemacht. Die Leute kommen einfach nicht mehr so weit.
Beklagt werden vor allem die Spielhallen und Wettbüros.
Wanner: Die haben bis 2012 zugenommen, danach begann der Glücksspielstaatsvertrag zu wirken, der Mindestabstände zwischen Spielhallen verlangt. Bis 2017 gab es zwar Bestandsschutz, aber im Sommer müssen alle ihre Konzession neu beantragen. Es wird also Veränderungen auf der Gathe geben.
Manche befürchten illegale Aktivitäten an der Gathe.
Wanner: Es gibt aber kaum organisierte Kriminalität wie Mafia oder kriminelle Rockerbanden. Sicher gibt es illegales Glücksspiel und Drogenkonsum, aber nicht in übermäßigem Ausmaß. Die Polizei hat diesen so genannten „Ereignisraum“ im Auge. Dazu muss man wissen: Die Gathe war nie ein bürgerliches Quartier. Es war immer Randraum, auch schon Elendsquartier.
Die Menschen sehen vor allem in den letzten Jahren eine negative Veränderung.
Wanner: In den 70er bis in die 90er Jahre hinein gab es mal mehr Cafés und Clubs. Die hatten aber auch Hinterzimmer, in denen Poker und andere Kartenspiele gespielt wurden. Heute gibt es eher Spielhallen und zuletzt sind die Wettbüros entstanden. Das Rauchverbot macht vieles sichtbar, was früher in Hinterzimmern stattfand. Möglicherweise gibt es auch einen Einfluss der Zuwanderung aus Ländern, in denen es mehr Straßenkultur gibt.
Was lässt sich da verändern?
Wanner: Die Gathe ist eine Glücksrittermeile. Betreiber und Besucher der Spielhallen und Wettbüros versuchen, aus dem Wenigen, was sie haben, etwas zu machen. Deshalb ist das Interesse an kulturellen Veranstaltungen in den Lokalen nicht besonders groß. Trotzdem wäre es interessant, wenn die Akteure im Stadtteil das Gespräch miteinander suchen. Die anstehenden Veränderungen bei den Spielhallen sind dafür ein guter Anlass. Es geht darum, auf Augenhöhe miteinander zu reden. Da viele Betreiber im Quartier leben, ergeben sich vielleicht Anknüpfungspunkte. Diese Chance sollte man wahrnehmen.