Lesung Die Geheimnisse von „Babylon Berlin“

Wuppertal · Volker Kutscher liest als Gast der Bergischen Universität aus seinem neuesten Roman „Olympia“.

Volker Kutscher gab an der Bergischen Universität Einblicke in das Seelenleben seiner Romanfigur Gereon Rath.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Ein Mord bei den Olympischen Spielen, und der Ermittler heißt Gereon Rath: Wer Fan von Volker Kutschers Romanen oder der TV-Serie „Babylon Berlin“ ist, horcht hier auf - und hatte Grund, zur Uni zu strömen. Der Bestsellerautor las auf Einladung des Fachbereichs Literaturwissenschaft aus „Olympia“, dem achten und neuesten Rath-Fall. Neben Textauszügen war dort auch viel Gespräch zu erleben - und Kutschers heiteres Geständnis als fiktionaler Autor: „Ich lüge ja.“

Regisseur der Erfolgsserie auf Basis der Bücher ist der aus Wuppertal stammende Tom Tykwer. Stets geht es um den Polizeikommissar Gereon Rath - eher Antiheld als Held. Drei Staffeln wurden bislang ausgestrahlt, die indes nicht auf drei Büchern, sondern umverteilt auf Fall eins und zwei basieren. Während dort ein Panorama der Zwanziger ausgebreitet wird, spielt ein Teil von Kutschers Werken in der Nazizeit - so auch „Olympia“. Die Handlung dreht sich dort zunächst um den Tod eines Sportfunktionärs und die Behauptung, er sei Teil einer kommunistischen Verschwörung.

Die Spiele in Berlin nutzte das Regime bekanntlich für Propaganda, und der Roman führt nicht zuletzt vor, wie sich Rath zur immer brutaleren NS-Macht verhält: Er versucht sich durchzulavieren.

Die erste von Kutscher gelesene Passage betraf ein Verhör, das zur Folterszene wird. Rath ist bei den Ermittlungen anwesend, als ein SS-Führer einen Verdächtigen mit Foltermethoden quält: Sein Scherge fixiert ihn am Stuhl und malträtiert seine Finger. Rath ist entsetzt und verlässt das Verhör; zwar kann er nicht eingreifen, doch gemein machen mit diesen Methoden will er sich nicht.

Kommunikativ geriet der Abend auch weil Kutscher ein interessiertes Publikum fand, das am Ende gern die Chance zu Fragen nutzte. Lesungen populärer Personen locken generell immer wieder auf den Grifflenberg, auch viele Menschen ohne Hochschulbezug. Sonst finden sie teils in der Unibibliothek statt und sind von dieser auch organisiert. So lasen dort in den letzten Jahren etwa die TV-bekannte Autorin Katrin Bauerfeind oder auch (mit Fremdtexten) die Schauspielerin Mechthild Grossmann, bei der der Bezug zu Pina Bausch den Zuspruch sicher noch einmal verstärkte.

Heute nun, auf Einladung der Literaturwissenschaft, war der Rahmen ein etwas anderer: Die Einbettung ins germanistische Seminar tat ihr Übriges zum hohen Anteil an Reflexion und Gespräch. Schon eingangs hatte Dozent Lukas eine These benannt, die man dort erarbeitet habe: „Der Mythos ‚Babylon Berlin‘ könnte eher ein heutiges Produkt sein als ein historisches.“ Ein Satz, den er im Verlauf des Abends offenbar bestätigt fand - und sichtlich befriedigt noch einmal wiederholte.

Fragen aus dem Publikum waren greifbarer, doch gleichfalls durchaus tief gehend. Ein Zuschauer fragte nach dem Unterschied zwischen dem Schreiben über die eigene Epoche - und andererseits, wie bei Kutscher, aus der Rückschau. Der Autor dazu: „Was ich den Zeitgenossen voraus habe, ist, dass ich weiß, wie die Historie sich entwickelt hat. - Aber dieses Wissen blende ich bewusst aus.“ Er gab zu erkennen, ihm liege auch daran, dass Leser aus der Geschichte lernen. Nicht zuletzt deshalb bemüht er sich demnach um lebendiges, detailgenaues Schreiben - was sein Bekenntnis zum „Lügen“ doch etwas relativierte: „Ich möchte erreichen, dass man im Lesefluss die historischen Barrieren etwas vergisst. Man soll sich in dieser Welt nicht fremd fühlen. Das ist mir schon wichtig.“ Für solche Einblicke lohnte der Besuch des Uni-Abends, ebenso wie für die Begegnung mit einem Mann, der Vater vieler Figuren und spannender Momente in Buch und Film ist, aber offen und unprätentiös daher kam.