Nachhaltigkeit Die Kunst des Gesellschaftswandels
„Die Große Transformation“ heißt das Buch, mit dem das Wuppertal Institut für eine neue Sicht auf die notwendigen Veränderungen der Welt wirbt. Den Inhalt erläutert Präsident Uwe Schneidewind.
Wuppertal. Wie kann der Umbau zu einer sozial und ökologisch gerechten Welt gelingen? Wie schaffen wir die Energie- und Mobilitätswende, die Ernährungswende und den nachhaltigen Wandel in unseren Städten? Für die Antwort prägt das Wuppertal Institut einen neuen Begriff: Zukunftskunst.
Herr Schneidewind, worum geht es in dem Buch?
Schneidewind: Es ist eine Antwort auf die aktuelle Heißzeit, die den Klimawandel wieder in die Diskussion gebracht hat. Wir wollen zeigen, wie der Wandel funktionieren kann, wie verschiedene Bereiche zusammenwirken - neue Technologien, neue Geschäftsmodelle, kluges Steuern und ein kultureller Wandel - zur Veränderung führen kann. Denn letztlich ist Veränderung ein kulturelles Projekt.
Inwiefern?
Schneidewind: Wir wollen weg von der Diskussion über Katastrophen, sondern eine humanistische Vision aufzeigen, die lautet: „Alle Menschen haben die gleiche Chance, ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen.“ Und wir können einen Beitrag dazu leisten, das zu verwirklichen, wir können „Zukunftskünstler“ werden. Darauf bezieht sich auch das Titelbild mit der Installation „Points of View“ von Tony Cragg. Das Kunstwerk steht für unsere Grundidee, komplexe Zusammenhänge spielerisch und ganzheitlich in eine Form zu bringen.
An wen richtet sich das Buch?
Schneidewind: Der letzte Satz im Buch spricht direkt den Leser an, in seiner Rolle als Bürger. Man kann eintreten für Rahmenbedingungen, die ein anderes Leben möglich machen, für mehr Radwege, Bio-Lebensmittel, eine andere Besteuerung von Kerosin, damit Fliegen nicht billiger als Bahnfahren ist. Wir sagen: Engagiert euch, wo ihr gerade seid, als Bürger, als Mitglied in Initiativen, als Unternehmer, als Wissenschaftler, als Politiker.
Was kann die Politik tun?
Schneidewind: Viele Veränderungen gehen derzeit von den Städten aus. Die Beispiele von London und Kopenhagen, die ihre Innenstädte vom Verkehr befreit haben, ermutigen jetzt andere. Wir brauchen mehr solche Beispiele. Wir müssen mehr Wuppertal wagen.
Inwiefern ist Wuppertal ein Beispiel?
Schneidewind: Das Buch hat ganz viele Wuppertal-Bezüge. Wir sind überzeugt, dass hier ganz viel passiert, das ideengebend ist für Deutschland und darüber hinaus. In Wuppertal ist die Utopie ein Orientierungsbegriff. Hier ist die Nordbahntrasse Wirklichkeit geworden, Utopiastadt wird bald das Gelände um den Bahnhof Mirke bespielen und ich kann mir gut vorstellen, dass wir am Arrenberg in einigen Jahren die größte urbane Farm haben. Wuppertal ist eine Stadt, die immer schon Utopie konnte — siehe Schwebebahn.
Welche Bedeutung hat das Buch?
Schneidewind: Es ist eine Art Kursbuch. Es ist auf 500 Seiten ein guter Überblick über das, was wir im Wuppertal Institut machen, welche Strategien es für den Wandel in den verschiedenen Bereichen gibt. Es ist auch ein Experiment, wissenschaftliche Erkenntnisse stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir wollen mit Politik und Wissenschaft ins Gespräch kommen.
Im Buch sind 63 weitere Personen genannt, die mitgearbeitet haben. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert?
Schneidewind: Wir haben eine Struktur festgelegt, ich habe ein Rohmanuskript geschrieben, mich dann für jedes Kapitel intensiv mit den entsprechenden Mitarbeitern ausgetauscht. So ist am Ende ein Buch aus einem Guss entstanden, in dem aber in jedem Kapitel die Power der Mitarbeiter steckt.
Was wird das Buch Ihrem Wunsch nach bewirken?
Schneidewind: Es wird auf vielen Ebenen etwas auslösen: Jeder Einzelne soll sich inspiriert fühlen, wir wollen gesellschaftliche Debatten anstoßen und wir hoffen, eine neue Bewegung auszulösen unter dem neuen Begriff „Zukunftskunst“. Sie soll alle umfassen — Privatleute, NGOs, die Politik, die mit der neuen Haltung an das Thema herangehen. Jeder, der mitmachen will, kann sich bei uns melden.