Wissenswertes und Anekdoten Die Lichtquelle prägt den Namen dieses Wuppertaler Quartiers
Wuppertal · Sandra Reger führte die Besucher am Wochenende über den Ölberg
So manchem Ölberger ist das öffentliche Interesse wohl schon zu viel: Die drei Holztüren mit Herzchen, einst einzige WCs in einem alten Haus mit vielen Mietparteien, konnte Sandra Reger nur mittels Foto präsentieren. „Die Bewohner wollen keine Gruppen mehr empfangen“, bedauerte die Stadtführerin. Zu erfahren und in natura zu sehen gab es bei ihrer Ölberg-Führung dennoch allemal genug. Dass dieser Berg seinen Namen der Geschichte als Arbeiterviertel verdankt, mochte mancher Teilnehmer schon gewusst haben: Die oft ärmlich lebenden „Malocher“ der frühen Textilindustrie nutzten einfache Öllampen als Lichtquelle für sich und ihre Familien – und zwar auch noch dann, als anderenorts in der Stadt längst Elektrizität eingeführt war, um Wohnungen wie auch Straßen zu beleuchten.
Ein vielfältiger Kosmos mit viel Historie dahinter
Die Grundversorgung war denn auch eines der Themen, zu denen Reger manch Neues brachte. Zur Wasserzufuhr kam Auskunft an einleuchtender Stelle: in der Brunnenstraße. „Talsperrenwasser gab es hier nicht“, bemerkte die Führerin und verwies auf eine später errichtete „Fernleitung“ vom heute zu Düsseldorf gehörigen Benrath. Bis dahin höchst wertvoll: ein Brunnen, der im Straßennamen bis heute erhalten ist. Heute ist der Ölberg ein Kosmos, bei dem das Multikulturelle ebenso fester Bestandteil ist wie die bildende Kunst: Speziell entlang der zentralen Marienstraße finden die Ateliers und Galerien sich regelrecht aufgereiht. Hochglanz freilich ist hier weiterhin ein Fremdwort – auch Regers Schilderung bestätigte das: „Lange galt der Ölberg als asozial“, erinnerte sie und ergänzte dagegen Versuche, die Gegend „etwas attraktiver“ zu machen. Samt erfolgreichem Widerstand: Gegen zeitweilige Pläne, großflächig teure Neubauten zu errichten, ging man laut Reger zuhauf auf die Straße. Im Stillen möchte man angesichts der starken linken Szene hier ergänzen: Auch das Rebellische hat das Viertel sich erhalten. Gestartet an der Laurentiuskirche hatte die Tour sich über den Grünewalder Berg unter anderem über den Schusterplatz bewegt. Details durchzogen den entspannt ertragreichen Gang ebenso wie große Themen und Zahlen. Mal verwies die Stadtexpertin auf ein unscheinbares Metallobjekt vor einem Hauseingang – einen Fußabtreter, an dem über die Jahrhunderte gewiss schon Schmutz von vielen Schuhen geschüttelt worden war. Zur Arbeitergeschichte kam dann die bekannte Gewohnheit zur Sprache, bei Ankunft in der Kneipe zum Gruß dreimal auf den Tisch zu klopfen. Und wie aus Regers Schilderung zu schließen war, hatte diese proletarische Geste wohl durchaus ihren prüfend-exklusiven Anteil: „Platz nehmen durfte man nur, wenn das Klopfen erwidert wurde.“
Und mal kamen eben auch Epochales und Rekorde zur Sprache: „Die Friedhofskirche ist die zweitgrößte evangelische Kirche im Rheinland“, war gegen Ende in Sichtweite jenes Gotteshauses Richtung Hochstraße zu hören; es sei einst als „Bollwerk“ gegen die katholische Konkurrenz gebaut worden. An dieser Stelle mochten Teilnehmer auch Wissen von außerhalb des Ölbergs mitnehmen: Einen Friedhof, heute kaum vorstellbar, gab es demnach einst auch auf dem Neumarkt. Stadtführerin Reger redete frei und lebendig, aus einem sichtlich breiten Wissensfundus verstand sie anregend zu schöpfen. Offen zeigte sie sich auch für neue Informationen auskunftsfreudiger Teilnehmer. Die gut gelaunte Schar ihrer Zuhörer hatte teils einige Anfahrt hinter sich. Das war nicht selbstverständlich, denn unter dem Titel „spontane Führung“ hatte sich die Tour insbesondere an Kurzentschlossene gerichtet. Abgehalten hatte dies offenbar weder ein Ehepaar aus Haan noch eine aus Ennepetal Angereiste, die generell viel von Beschäftigung mit Geschichte hält, wie sie erzählte. Es gab auch Führungsteilnehmer, die sogar für Sandra Reger noch Neues beizusteuern wussten. zu ihnen gehörte Franz-Josef Koch, der schon seine Kindheit und Jugend hier verbrachte: „Beim Bombardement im Zweiten Weltkrieg habe ich gesehen, wie der Turm der Herz-Jesu-Kirche zusammenstürzte“, berichtete er. Auch musikalisch gab er eine unvermutete Ergänzung und sang ein Lied über einen Jungen, dessen blaue Haare just wie die Öllämpchen leuchteten. Am 26. Oktober führt Sandra Reger übrigens erneut über den Ölberg. Gut möglich, dass sie bis dahin schon wieder einiges neu aufgenommen hat. Weitere Infos unter