Meinung WZ-Kommentar zur Schwebebahn-Tour: Das sind ja schöne Aussichten
Wuppertal · Schnell wird das Besondere zur Gewohnheit, wenn man es ständig sieht. Gut, wenn ein Blick von außen kommt.
Es kommt vor, dass man als Journalist einen Termin wahrnimmt und im Vorfeld denkt: Ja, ganz nett. Da fährt eine Gruppe pensionierter Mitarbeiter einer deutschen Fluggesellschaft nach Wuppertal, um sich die Stadt anzugucken. Weil nicht ganz so viel Zeit vorhanden ist, erfolgt der Überblick von oben. Also aus der Schwebebahn. Von Vohwinkel bis Oberbarmen. Die ganze Strecke. Für Touristen ein Erlebnis. Einzigartig. Eine hängende Bahn. Über der Wupper. Schaukelt ein bisschen, wie im Freizeitpark. Nicht ganz so toll die Aussicht, trotzdem was zu gucken. Und zu entdecken. Sagen die Besucher. Die fasziniert sind. Man selbst fährt damit fast jeden Tag. Weil’s bequem ist und weil Journalisten immer etwas unter Zeitdruck stehen. Einsteigen ins Geknubbel. Warten, aushalten, aussteigen. Barmen, Alter Markt, zum Rathaus. Oder Landgericht. Mit einer Station im Jugendstil. Schnell wird das Besondere zur Gewohnheit, wenn man es ständig sieht. Gut, wenn ein Blick von außen kommt. Und buchstäblich die Augen öffnet. „Schauen Sie mal, die bemalte Hausfassade.“ Urban Art. Oder das Konzerngelände. „Mitten in der Stadt.“ Die Menschen, die am Ufer sitzen. Wird der Fluss also doch irgendwie wahrgenommen? Ist er mehr als gelenktes Wasser mit Gestrüpp? Großstadtleben, im Schnelldurchlauf, aber mit Charakter. „Die Gewohnheit ist ein Seil“, sagte schon im 19. Jahrhundert der US-amerikanische Politiker Horace Mann. „Wir weben jeden Tag einen Faden, und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen.“ Danke für die Perspektive. Nicht neu, aber neu gewebt.