Düsseldorfs besondere Straßen Ein kleines Dorf mitten in der pulsierenden Stadt

Düsseldorf · In loser Folge erzählen wir Geschichten, die sich hinter Straßenschildern verbergen. Diesmal: die Reichsgasse.

Werner te Kate wohnt seit zehn Jahren in der Reichsgasse.

Foto: Julia Hallmann

Die kleine Einbahnstraße, die vom Verkehr umtobten Fürstenwall abzweigt und zur Reichsstraße bzw. der stark frequentierten Auffahrt zur Rheinkniebrücke führt, ist leicht zu übersehen. Nur so breit, dass gerade einmal ein Fahrzeug hindurchpasst, sieht sie wie eine private Einfahrt und nicht wie eine öffentliche Straße aus. Ein erster Blick in die Gasse offenbart noch nicht, was sie so besonders macht. Erst, wenn man um die erste Kurve der rund zweihundert Meter langen Straße tritt, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt, die gar nichts mit der hohen innerstädtischen Umgebungsbebauung gemein hat. Plötzlich steht man mitten in einem kleinen Dorf, einem Überbleibsel aus einer anderen Zeit, in einem kleinen Idyll.

Alte Garagenhöfen stehen neben alten Höfen und Wirtschaftsgebäuden und hübschen kleinen Häusern mit schiefen Wänden, grünen Fensterläden und Sprossenfenstern, die um 1800 erbaut wurden und teilweise unter Denkmalschutz stehen. Aber nicht nur die Bebauung, sondern auch diese ganz besondere Atmosphäre dort ist sehr dörflich. „Einheimische“ kennen und grüßen sich beim Vornamen, bei Fremden wird genauer hingeschaut, was diese wohl in der Gasse zu suchen haben. „Hier gibt es eine ganz tolle Nachbarschaft, man hilft sich und achtet aufeinander“, schwärmt Werner te Kate.

Der Eingang in die Gasse vom Fürstenwall aus ist unscheinbar und schmal.

Foto: Julia Hallmann

Er ist vor zehn Jahren in die Gasse gezogen und genießt es, „in einem ruhigen Dorf und doch mitten in der brummenden Stadt“ zu leben. Dabei ist auch die Reichsgasse zweigeteilt. So befinden sich vor allem auf der Seite mit den ungeraden Hausnummern die alten Gebäude. Auf der anderen Seite wurden moderne Wohnhäuser um ein rosa Haus aus dem Jahr 1904 errichtet. „Die Verbindung von alten, historischen Gebäuden mit modernen ist aber hier gelungen“, findet te Kate. Und sie bietet mehr Wohnraum in der beliebten Gasse, aus der manche Bewohner Zeit ihres Lebens nicht ausziehen.

Viele bunte Skulpturen können in dem Sträßchen entdeckt werden.

Foto: Julia Hallmann

Typisch für die Gasse sind auch die vielen kleinen Innenhöfe, die teilweise durch Anbauten an die historischen Gebäude entstanden. Einige davon hat der Architekt Uwe Klasing entwickelt, der sich selber ein außergewöhnliches Kleinod in der Straße geschaffen hat und nun die gute Nachbarschaft genießt. „Wenn ich mich an einen Tisch in der Gasse setze, habe ich zehn Minuten später Besuch.“

Wirkt auf den ersten Blick echt: Die Skulptur eines freundlichen Herrn.

Foto: Julia Hallmann

An den Hauswänden
hängen bunte Skulpturen

Und manche der Innenhöfe bieten zusätzliche Überraschungen in der Reichsgasse. Wer beispielsweise das lilafarbene Tor kurz vor Ende des Sträßchens öffnet, betritt die farbenfrohe und originelle Welt von Daniela Reich-Perullis, die dort ein Studio für Aryuveda-Lifestyle betreibt. Im Hof blühen viele bunte Blumen, dort stehen bunt bemalte Gartenstühle, Buddha-Figuren und Bildnisse anderer asiatischer Gottheiten neben Vogelhäuschen, farbigen Schirmen und Traumfängern.

Überhaupt gibt es für den aufmerksamen Betrachter in der Gasse viel zu entdecken, denn überall sind Kunstwerke verteilt. Auf Sockeln stehen und an Hauswänden hängen zum Teil sehr bunte Skulpturen. Und eine lebensgroße Figur eines älteren Herrn sitzt vor einem Hauseingang und erweckt den Eindruck, als würde er Vorbeikommende beobachten.

An Hauswänden finden sich zudem vier Reliefs des Düsseldorfer Bildhauers Jupp Rübsam (1896-1976), die fast 100 Jahre alt sind. Ursprünglich geschaffen wurden diese für die Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSoLei), die 1926 in Düsseldorf stattfand. Insgesamt zwölf Reliefs des Künstlers schmückten damals die Kuppel des Ehrenhofes. Nach dem Ende der Schau veräußerte Rübsam die Werke, vier davon kamen so in die Reichsgasse.

Das Verlassen der ruhigen Gasse ist dann für den Besucher brutal. Unvermittelt steht man an der Hauptverkehrsstraße mitten im lärmenden Verkehrschaos. Vom abgeschirmten, verträumten Dorf ist hier nichts mehr zu spüren.