Die Nebenwirkungen eines Studiums
Ein Studium bildet nicht nur zu einem Beruf aus, sondern sollte auch Selbstorganisation und Persönlichkeit fördern.
Für alle „Erstis“ hat dieses Semester ein ganz neuer Lebensabschnitt begonnen: Das Studium. Wenn man (noch) nicht studiert hat, kann man sich nur schwer vorstellen, was sich im Inneren von Universitäten tatsächlich abspielt und wie ein Studentenleben verläuft. Die Uni ist wie eine eigene kleine Welt und ganz anders im Vergleich zur Schule. Auch wenn die neuen Erstsemester nun einen Eindruck vom Studieren bekommen haben, stellt sich vermutlich vielen noch die Frage: Was kann ich denn nun von diesem Lebensabschnitt erwarten?
Eine Frage über die auch gesellschaftlich debattiert wird. Es ist die Frage nach Sinn und Zweck des Studiums. Soll es fachlich oder persönlich bilden, auf den Beruf vorbereiten oder all das zusammen? Was lernt man denn wirklich während des Studiums? Studierende antworten mit Blick auf ihre bisherige Studienzeit: Die Lehramtsstudentin Eva Karina Lutter (22) betont, dass sie während ihres Studiums deutlich selbstständiger geworden ist: „Durch das Studium ist man gezwungen, sich selber zu strukturieren. Ich habe so auch gelernt, mich unabhängig von Freundschaften durch das Studium zu bewegen und meinen eigenen Weg zu gehen.“
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Wuppertal
Christine Hummel, Leiterin der Zentralen Studienberatung (ZSB), erklärt: „Wer von der Schule zur Universität kommt, der wechselt von einem System in ein völlig anderes. In der Schule wird das Lernen stark begleitet, diese Kontrolle fällt an der Universität weg. Anfangs zeigt sich das schon daran, dass der Stundenplan meist selbst erstellt werden muss.“ Ein gutes Zeit- und Selbstmanagement ist somit erforderlich. „Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, Prioritäten zu setzen, wenn man Uni, Arbeit und Freizeit unter einen Hut kriegen will“, bestätigt Jan-Philip Pietschmann (23). Er studiert Bauingenieurswesen.
Diese neue Eigenverantwortlichkeit kann sich als große Herausforderung darstellen. Aline Gebele, Studienberaterin bei der ZSB, berichtet: „Viele Studierende erleiden erst einmal einen ‚Erstsemesterschock’. An der Uni wird viel mehr Stoff in kürzerer Zeit gelehrt, auch mit den universitären Strukturen und Abläufen muss man sich erst vertraut machen.“ Sie rät Studierenden, frühzeitig mit dem Lernen zu beginnen und geduldig mit sich zu sein. „Man muss sich selbst erst in der Rolle als Studierender finden.“
Das betrifft auch die soziale Seite. Im Gegensatz zur Schule gibt es an der Uni keine festen Klassenverbände, so dass man meist jedes Semester auf neue Menschen trifft. „Am Anfang des Studiums musste man vor allem mit sozialen Herausforderungen klarkommen. Man lernt viele neue Leute kennen und erfährt so viel darüber, wie man sich in neuen Gruppen einfindet. Das hat mich viel offener und selbstbewusster gemacht“, sagt Jan-Philip Pietschmann.
Auch für Christina Gembler (27), die Erziehungswissenschaften studiert, war es zunächst nicht leicht, mit ihrem neuen Leben als Studentin umzugehen: „Es gehört Mut dazu, ganz alleine an eine Uni zu gehen, wegzuziehen und neue Leute kennenzulernen. Man wächst an diesen Herausforderungen.“ Natürlich muss man all das nicht ganz allein bewältigen. Christine Hummel empfiehlt Studierenden, Lerngruppen zu bilden und bei persönlichen Problemen die Beratungs- und Workshopangebote der ZSB zu nutzen. Diesbezüglich kann man zum Beispiel Workshops zur Stressbewältigung oder zum Erlernen von Lern- und Arbeitstechniken besuchen oder sich in Sprechstunden persönlich beraten lassen.
Auch auf fachlicher Ebene kann man während des Studiums so einiges lernen. Sebastian Schüler (23) hat dieses Jahr seinen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik gemacht und sagt: „Ich habe durch mein Studium erst einmal einen richtigen Einblick in mein Fach bekommen. Natürlich hatte ich vorher Vorstellungen dazu, aber es stellte sich anders heraus als man gedacht hat.“ Für Jan-Philip Pietschmann waren es die ersten vier Semester, in denen man erst einmal die Grundlagen des Fachs kennengelernt hat. „Erst danach konnte man sich vertiefen und dann wurde es richtig spannend“, erklärt er.
Eva Karina Lutter hat diese Vertiefung ein bisschen gefehlt. „Oft muss man so viel lernen, dass man nicht wirklich Zeit hat, sich mit einem Thema richtig zu befassen“. Damit spricht sie ein Problem an, das vermutlich viele Studierende kennen. Nicht umsonst wird die Bologna-Reform und die damit verbundene Intention, Absolventen schneller für den Arbeitsmarkt bereitzustellen, kritisiert. Denn Bildung braucht Zeit. Doch auch wenn die institutionellen Bedingungen nicht immer optimal sind, ist das Studium nicht vergeblich. Christina Gembler sagt, sie habe gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten.
Was und wie man lernt, hängt somit auch vom jeweiligen Fach ab. Die befragten Studenten haben während ihres Studiums vor allem gelernt, selbstständig zu werden, Eigenverantwortung für ihr Leben zu übernehmen und Herausforderungen zu meistern. So kann einen das Studium auf mehreren Ebenen bereichern. Wichtig ist, dass man sich gerade zu Beginn erst einmal auf die fremde Welt der Universität einlässt, sich selbst besser kennenlernt und bei Schwierigkeiten nicht gleich aufgibt.